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Alles auf der Straße… Sidewalk Economy

In Hanoi wie auch in anderen Städten kann man in vielen kleinen Geschäften einkaufen, aber mindestens genauso prägend für die Atmosphäre in der Stadt sind die fliegenden Händlerinnen. Fast alles kann man bei ihnen finden, ob Putzartikel, Geschirr oder Kleidung, Obst, Gemüse oder Blumen.

Die Fahrräder oder Wagen sind kunstvoll und ausbalanciert beladen, oft so hoch, dass man die Frauen kaum dahinter sehen kann. Die angebotene Ware soll umfassend und schön präsentiert werden.

Im „Vietnamese Women’s Museum“ erfahren wir in einer Dokumentation, wie lang und anstrengend der Tag einer fliegenden Händlerin ist. Gegen 4 Uhr morgens machen sich die Obst- und Gemüsehändlerinnen auf den Weg zum Großmarkt um ihre Ware einzukaufen. Oder die Speisen werden zubereitet. Wenn es gut läuft – also wenn sie ausreichend verkauft haben – können sie am Nachmittag wieder zu ihrer Unterkunft zurückkehren. Häufig bestreiten die Frauen mit ihren Einkünften den Unterhalt der Familie, die oft außerhalb oder am Rande der Stadt wohnt und zu der sie nur in größeren Abständen heimkehren können.

Wie viele Städte in Vietnam hat auch Hanoi eine lebhafte „sidewalk economy“, zu deutsch Bürgersteigwirtschaft. Neben den fliegenden Händlerinnen gehören kleine Imbissstände, provisorische Cafés, Schuhreparaturwerkstätten, Kleideränderungsdienste und Friseure dazu.

Insgesamt hat Vietnam mit 72% eine hohe Rate an Frauen im Erwerbsleben*, viele davon arbeiten allerdings im informellen Sektor.

Interessanterweise sind Messer und Eisenwaren, Schlüsseldienste, Friseure und Fische eine Domäne der Männer im der sidewalk economy.

Die Stadtverwaltung von Hanoi versucht in regelmäßigen Abständen immer wieder die sidewalk economy zu verbieten oder zu regulieren, allerdings mit mäßigem Erfolg, da nicht nur die betroffenen Verkäufer:innen, sondern auch die Bevölkerung mit Protest reagiert.

„Die Präsenz von Bürgersteigverkäufern, darunter Straßenhändler und kleine Läden, ist zu einem integralen Bestandteil der städtischen Wirtschaft Vietnams geworden. Dieses Phänomen wird als kultureller Aspekt und bestimmendes Merkmal der lokalen Stadtlandschaft angesehen“ sagt die Architektin Nguyen Hoang Giang.

Im Jahr 2018 machten Straßenhändler:innen den größten Teil der Lebensmittel- und Getränkeverkaufsstellen in Vietnam aus, mit über 430.000 Unternehmen im ganzen Land. In den Städten erwirtschaften sie über 10% des BIP.

Große Supermärkte gibt es hier (noch) nicht, die Vietnames:innen schätzen es sehr, dass sie alles Lebensnotwendige um die Ecke vorfinden und dort einkaufen, essen und dabei Nachbar:innen und Bekannte treffen können.

Und wir hoffen sehr, dass es dieses bunte Leben auf den Bürgersteigen noch lange geben möge!

* Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO).

1 Kommentare

  1. Sabine Kremer sagt

    Ein Traum – diese Bürgersteigwirtschaft. Diese Art des Einkaufs würde mich inspirieren. Das Besorgen von Lebensmitteln wäre nicht länger eine lästige Qual.

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