Autor: Sabine

Alles auf der Straße… Sidewalk Economy

In Hanoi wie auch in anderen Städten kann man in vielen kleinen Geschäften einkaufen, aber mindestens genauso prägend für die Atmosphäre in der Stadt sind die fliegenden Händlerinnen. Fast alles kann man bei ihnen finden, ob Putzartikel, Geschirr oder Kleidung, Obst, Gemüse oder Blumen. Die Fahrräder oder Wagen sind kunstvoll und ausbalanciert beladen, oft so hoch, dass man die Frauen kaum dahinter sehen kann. Die angebotene Ware soll umfassend und schön präsentiert werden. Im „Vietnamese Women’s Museum“ erfahren wir in einer Dokumentation, wie lang und anstrengend der Tag einer fliegenden Händlerin ist. Gegen 4 Uhr morgens machen sich die Obst- und Gemüsehändlerinnen auf den Weg zum Großmarkt um ihre Ware einzukaufen. Oder die Speisen werden zubereitet. Wenn es gut läuft – also wenn sie ausreichend verkauft haben – können sie am Nachmittag wieder zu ihrer Unterkunft zurückkehren. Häufig bestreiten die Frauen mit ihren Einkünften den Unterhalt der Familie, die oft außerhalb oder am Rande der Stadt wohnt und zu der sie nur in größeren Abständen heimkehren können. Wie viele Städte in Vietnam hat auch Hanoi …

Der Glockenturm

Im Frühstücksraum unsere Homestays hängen Bilder mit den Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Darunter auch ein sehr schöner Turm. „You should see the belltower“, sagt unsere Lady. Das wollen wir. Eine Tagestour mit Rädern durch die herrliche Trang An Gegend. Tho gibt den Tourguide, wir fahren meist auf kleinen Straßen, gelegentlich Schotterwege, durch Dörfer und Weiler. Die Sonne scheint, Plastikplanen werden von den Reisschößlingen abgenommen, die Frauen stehen im nassen Feld und setzen den Reis. Eine friedliche Welt, hier und heute. Wir nähern uns dem Ziel, der Turm ist schon weithin sichtbar, irgendwann gelangen wir zu der Mauer, die das ganze Gebiet umgibt, große beeindruckende Tore, die aber alle geschlossen sind… Wo ist denn der Eingang? Was ist das überhaupt für ein Gelände? Wir kommen als Ahnungslose, vorbereitende Lektüre hat nicht stattgefunden. Also bleibt nur Staunen. Und da gibt es viel. Im Dorf neben dem Gelände weist uns jemand den Weg zum Eingang. Ein riesiges Tor mit Wachmann. Als Radfahrer:innen werden wir von ihm so durchgewunken. Und dann sind wir verloren. Breite Straßen, gesäumt von frisch angelegten …

Gartenliebe

Mit dem Fahrrad auf kleinen Wegen durch die Landschaft in Tràng An zu fahren, ist für mein Gärtnerinnenherz eine große Freude. Natürlich gibt es viel Landwirtschaft mit Reisanbau, auch wenn das, weil hier Winter ist, nicht danach aussieht, weil die jungen Setzlinge noch unter Plastikplanen vorgezogen werden. Dann gibt es hier Bäume und die dazugehörigen Früchte, die ich noch nie in echt gesehen habe. Besonders schön: der Jackfruchtbaum, ein echter Alleskönner! Bisher kannte ich die Frucht nur als Fleischersatz, wofür das Fruchtfleisch seit 2016 nach Europa exportiert wird. In Asien findet alles an diesem Baum Verwendung: aus dem Holz werden Musikinstrumente geschnitzt, die Nüsse der Frucht lassen sich geröstet essen, Das Fruchtfleisch passt zu Currys, unreif wird es zu Pickles verarbeitet. Und das Holz liefert gekocht den gelben Farbstoff für die Roben der buddhistischen Mönche. Blätter, Rinde, Wurzeln, Samen und Milchsaft werden zu Medizin verarbeitet. Und die pickligen Früchte sind richtig groß, man braucht Kraft und ein starkes Messer, um sie aufzuschneiden. Es beeindruckt mich, mit welcher Sorgfalt die Hausgärten angelegt sind und gepflegt werden. …

Wir sind viele…

Diese Sammlung von Lampen, gefunden in einer Gasse in Kolkatta war der Anfang für die Serie „Wir sind viele“. Es mag paradox klingen, aber es hatte und hat für mich etwas Entlastendes, wenn ich die Vielen von einer Sorte in ein Bild bannen kann – dann wird das Chaos, die Masse, das Unüberschaubare zum Muster oder zu einer Struktur. Und eine Schönheit entsteht in der Sammlung.

Architektur 5: Hanoi und das Röhrenhaus

Schmal und grazil reihen sich die Häuser in Hanois älteren Stadtteilen aneinander. Jedes Röhrenhaus ist mit der unterschiedlich gestalteten Fassade ein Individuum und zugleich Teil des urbanen Bautypus. Es heißt, dass im 19. Jahrhundert die französischen Kolonialherren die Steuern auf die Fassadenbreite eines Hauses angerechnet haben. Das führte dazu, dass die Häuser schmale Vorderseiten von 2,5 bis 4 m bekamen, dafür aber bis zu 50 m in die Tiefe des Blocks wuchsen. Im Erdgeschoss befinden sich zur Straße hin Werkstätten und Geschäfte, die teilweise fließend übergehen in Wohn-, Schlaf- und Wirtschaftsräume. Je nach Haustiefe folgen kleine Innenhöfe, die für weiteren Lichteinfall und Luftzirkulation sorgen. Nach hinten raus liegen Küche und Bad. Das Dachgeschoss hat oft eine überdachte Terasse. Häufig wurden und werden die Röhrenhäuser etagenweise von je einer Familie bewohnt oder das ganze Haus als Mehrgenerationenhaus, wobei die Familie dann oft im Erdgeschoss einen Laden oder eine Werkstatt betreibt. Das gilt insbesondere für die Altstadt von Hanoi, wo zwischenzeitlich die Bewohner:innendichte so hoch war, dass für jede Person nur 1.5 qm blieben. Wurde weiterer Platz …

Pho Phuc Xa

Das neue Jahr in Vietnam beginnen, in Hanoi. Wir haben ein Haus gemietet, es liegt hinter der großen Straße im Nordosten der Stadt. Wir reisen für eine Weile zu dritt, Neele ist aus Deutschland dazu gekommen. Wir wussten nicht, in was für ein Viertel wir da geraten sind. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Und das war schon klar, als wir mit Rucksäcken bepackt zum ersten Mal die „Phuc Xa“ entlang liefen und noch auf der Suche nach unserem Haus waren. Das ganze Leben in einer Straße. Wirklich das ganze! Vielfalt und Fülle für die Augen. So viele verschiedene Gemüse und Obstsorten, jede Menge unbekannte Schönheiten dabei. Vielleicht ist diese Straße auch so wunderbar, weil die Grenzen zwischen privatem und öffentlichen Raum fließend sind. Überall auf den Gehwegen sind kleine und größere Auslagen von fliegenden Händler:innen. Manchmal wuchert die Ware aus den Geschäften heraus und oft wird auch sichtbar, dass die Erdgeschossräume gleichzeitig der Lebensraum der Familie sind. Das Einkaufen ist ein fließender Prozess. Rad- und Motorradfahrer:innen halten eben mal an, sagen was sie …

Ein besessener Blick: vor & zurück

Wer den Rückblick und das Fazit am Ende des Jahres liebt oder wer meint, das schadet nicht oder wer Lust auf Reflexion und Ausblick hat, kann sich gerne setzen (Achtung bei der Stuhlauswahl!) und es mit folgenden Versatzstücken probieren. Könnte auch im Austausch gut sein. Bitte keinesfalls weiterlesen, wenn eine Aversion gegen Jahresrückblicke und Fragen besteht! Welche Themen wirkten im vergangenen Jahr wie „täglich grüßt das Murmeltier“, weil du dich auf einem Drehsitz niedergelassen hast? Vielleicht ohne es zu merken? Und war das gut oder anderswie? Bei welcher Gelegenheit ging es darum, direkt in den Spiegel zu schauen und dann klar zu entscheiden: das kann ab oder weg – oder was sonst noch? Hast du es dann selbst gemacht oder hast du dir Unterstützung gesucht? In welchen Momenten blieb einfach nur der Rückzug in ein Eckenhocken – weil es dir am sichersten oder angenehmsten erschien? Gerne auch zu zweit und möglichst eng… Anders gefragt: gab‘s Cocooning oder Leben in der Blase? Wie war das? Welche Themen hast du auf die lange Bank geschoben und liegen …

Architektur 4: Wohnen in Tamil Nadu

Obwohl Tamil Nadu genau wie Kerala im Süden Indiens mit jeder Menge Monsunregen umgehen muss, ist die Architektur eine ganz andere. Egal ob auf dem Land oder in der Stadt, alle neueren Häuser haben Flachdächer, die Dachterassen sind wegen des Regens vermutlich mit Abflussmöglichkeiten ausgestattet. Auf dem Land kann man noch die traditionelle Bauweise mit Palmblättern bei kleinen Wohnbehausungen sehen – und nur bei diesen Gebäuden finden sich Satteldächer, bei denen der Regen gut ablaufen kann. Die Dächer erinnern an unsere Reetdächer. Es gibt auch aus Kokospalmwedeln kunstvoll geflochtene Wände und Dächer. Diese Dächer halten nicht ewig, aber wir sehen auf unseren Fahrten übers Land entweder den Verfall oder das Abdichten durch übergezogene Plastikplanen oder durch Wellblechdächer.Vermutlich wird diese Form der Hausbaukunst verloren gehen. Typisch für die Wohnbauten in und um Pondicherry ist die Freude der Bewohner:innen an kräftigen Farben. Stadtviertel wie Dörfer wirken freundlich, bunt und einladend. Durch die 1 – 5 Treppenstufen gibt es einen halböffentlichen Raum, der als Begegnungsort in den etwas weniger heißen Spätnachmittagsstunden gerne genutzt wird. Häufig wird unter der …

Auroville – eine Annäherung

Ein Experiment, wie Gemeinschaft gelebt werden kann, das ist Auroville. Eine wachsende Stadt, in der heute etwa 3500 Bewohner:innen aus über 60 Ländern leben – jedes Jahr kommen etwa 100 neue hinzu. Die besondere Kraft und Stille im Matrimandir konnten wir ja schon bei unserem ersten Besuch genießen, auch die umliegenden Gärten und den riesigen Banyan-Baum. Jetzt sind wir mit unserem Moped noch mal hin gefahren, um weitere Eindrücke zu sammeln, was gar nicht so leicht ist, denn das Gelände ist weitläufig und die Aurovillianer:innen wohnen in kleinen verstreut liegenden Siedlungen. Es gibt keine Grenze, keine genaue Ausschilderung, wo Auroville beginnt. Vermutlich sind wir immer im Gebiet der Gemeinschaft, wenn es keinen Müll und solide bis architektonisch anspruchsvoll gebaute Häuser gibt. Aber noch mal kurz an den Anfang zurück: Sri Aurobindo, indischer Philosoph, Politiker, Mystiker und Yogi gilt als geistiger Vater von Auroville. In seiner Gesellschaftstheorie entwickelte er die Idee einer „universellen Stadt“. Seine Vision: persönliche spirituelle Entwicklung und ein solidarisches Miteinander, in dem Nation, Geschlecht, Religion und Geld keine Rolle spielen sollen. Mirra Alfassa …