Autor: Sabine

Reisende sein

Heute ist der letzte Tag unserer gemeinsamen Sabbatical-Reise. In Kolkata gestartet, schließen wir mit der Jazz Baltica am Timmendorfer Strand ab. Größer kann die Spannweite kaum sein. Jetzt noch einmal aufs Ganze schauen. Und Puzzlestückchen einsammeln. Das, was ich von hier aus schon sehen kann. Reisen, ein spezifischer Modus. Ich erinnere mich. An früher. Da bedeutete Reisen vor allen Dingen das Aufbrechen, das Losziehen, die Neugier auf das Unbekannte, so stark, dass gar keine Zeit für ein Ankommen blieb, weil es immer schon weiter ging, in das nächste Abenteuer. Und bei dieser Reise? Der Anfang in Kolkata war zunächst einmal von allem viel! Farben, Gerüche, Geräusche, Menschenmassen, Reichtum und Armut. Faszination und Überforderung, fremd sein und langsam herausfinden, wie Leben hier geht. Und dann immer wieder von vorne dieses Spiel: von fremd in vertraut umwandeln. Jedes neue Zimmer. Die Straße. Das Viertel. Den Ort. Ankommen. Das Hotelzimmer betreten. Der Blick aus dem Fenster. Den Platz für den Rucksack finden. Einen Tisch oder Nachttisch, sofern überhaupt vorhanden, mit Skizzenheft, Stift und I-Pad ausstatten, die Bettseiten aufteilen. …

… und dann entsteht die letzte Serie

Ich sitze im Strandkorb am Timmendorfer Strand und erinnere mich daran, wie ich als Kind auch schon einmal in einem Strandkorb gesessen bin. Tho macht ein Foto davon. Ich schicke es meiner Mutter und die findet prompt das frühe Bild dazu. In unserer Ferienwohnung spiele ich ein wenig auf den unfertigen Bildern rum. Dann fällt mir aus meiner Wörtersammlung ein Zettel in die Hände: Serie: Werte der Kindheit … das ist mein Ausgangspunkt für die Bilder, auch wenn es gar nicht nur um Werte geht.

Letzter Schliff…

Die letzten vier Tage unserer Sabbatical Reise. Im Gepäck noch eine Mappe mit unfertigen Blättern. Vier Blüten in verschiedenen Stadien. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Stadt

Wir sind nicht die ganze Zeit in unserem oder im Nachbardorf geblieben in den letzten zwei Monaten. Alle zwei bis drei Tage ging’s in die Stadt. Nach Calatayud. Mit knapp 20.000 Einwohner:innen die zweitgrößte Stadt in Aragon. Schon beim ersten Besuch fand ich die zusammengewachsenen Platanen auf dem Paso de Aragon faszinierend. Da muss ein Gärtner sich ja die Mühe gemacht haben, die Zweige so zusammen zu binden, dass sie mit den Jahren zusammenwachsen. Diese verbundenen Zweige konnte man im März noch richtig gut sehen, in den folgenden Wochen wuchsen die Triebe zu einem immer dichter werdenden Blätterdach, das dem zentralen Paseo jetzt eine angenehme Kühle schenkt. Je wärmer es wird, desto mehr findet hier statt. Alle Cafés stellen Tische und Stühle raus, kleine Holzhütten werden aufgebaut, in denen abwechselnd mal Bücher mal Kunsthandwerk ausgestellt und verkauft werden. Das „Anyelo“ ist unsere Stammcafeteria. Meist kommen wir morgens vor dem Einkauf vorbei auf einen Café con Lecche, Churros und eine Tostada con Tomate. Wir sind nicht die einzigen Stammgäste, und der Wirt weiß jeweils schon beim …

Terra aragonesa

Von verschiedenen Seiten wird es uns immer wieder gesagt: das Wetter ist in diesem Jahr besonders. Es regnet viel mehr als sonst, teilweise heftig und mit dicken Hagelkörnern und dann wieder ist es für diese Jahreszeit viel zu heiß. Wir können beobachten, wie das Wetter das Land formt. Die weiche, bröselige rote Erde wird vom Regen mitgenommen, immer talabwärts. Aus menschlicher Perspektive betrachtet, gehen in mühevoller Arbeit angelegte, terrassierte Flächen verloren. Der Natur ist es gleich gültig. Für mein Auge ist da so viel Schönheit. In rosa-rost-rot.

Was weiß Wasser…

Also die Idee, die Erde mit Wasser zu verbinden und dann ganz zum Wasser zu wechseln in der Malerei, erschien mir während der letzten Tage häufiger als eine Schnapsidee. Und während ich Schicht um Schicht wässrige Farbe über die verschiedenen Papiere laufen ließ, Spuren und Ausbreitung verfolgte, musste ich öfter an den Maler William Turner denken. Mir gefällt es, dass er in seinen Bildern nicht den Sturm, die aufgewühlte See, das Licht oder Bewegung malte, sondern ein malerisches Äquivalent wollte er finden. Jep, das habe ich auch probiert…. Was siehst du?

Erde und Wasser – Monasterio de San Piedra

In der Farbenlehre haut das so nicht hin, aber im echten Leben ist es so: wenn Erde und Wasser zusammenkommen – dann wird es grün… und was für eine Vielfalt von Farbtönen. Im Park des Monasterio de San Piedra konnten wir das bestaunen. Ein riesiges Gelände, der Weg führt teils auf Wegen, teils auf Treppen in Schluchten hinab, vorbei an Wasserfällen, die in kleine Seen und Flüsse münden, sich entlang schlängeln an Wiesen und durch Waldstücke. Wir kommen an versteckten Höhleneingängen vorbei und müssen durch Tunnel gehen, um schließlich wieder am Kloster anzukommen. Vor ein paar Monaten hat das Grün, das überbordende pflanzliche Wachstum in Kerala, mich zu einer Fotoserie inspiriert. Dieses Mal ist es die Verbindung von Wasser und Erde. Von fließendem und festem Dasein. Diese Unmengen von grünen Schattierungen… Ein Fest für die Sinne! Und dann noch das Glucksen und Gluckern des fließenden Wassers, das Brausen der Wasserfälle, oft schon zu hören, bevor wir den Wasserfall überhaupt sehen. Im vergangenen Jahr hat es hier mehrmals extremen Regen gegeben, was dazu führte, dass sämtliche …

einerden

Sie lässt mich nicht los, diese Erde. Ein weiterer Versuch, einfach zu werden. Laufen lassen, das Wasser über die Erde. Spuren verfolgen. Verdichtungen. Lücken. Die Landschaft entsteht in der Bewegung. Schicht um Schicht. Die Erde folgt dem Wasser.