Autor: Sabine

Jalis

Es gibt Jalis in allen Palästen und Tempeln der Mogul-Architektur und sie faszinieren mich aus zwei Gründen: kühlender Luftzug kann durch sie ins Gebäude geleitet werden. Und sie ermöglichen einen Blick nach außen, während der Blick nach innen durch sie versperrt wird. Die Muster wurden zunächst auf die Steinplatten aufgezeichnet, später dann durch Bohren, vorsichtiges Hämmern und Schleifen herausgearbeitet. Die die potenziell unendlichen geometrischen Motive lassen sich auch als ein Verweis auf das Göttliche lesen. Beim Besuch des Palast von Udaipur habe ich Jalis gesammelt.

Zwei Straßen weiter…

Tatsächlich ist Udaipur, ein Ort, der von Reisenden aus allen möglichen Ländern besucht wird. Entsprechend gibt es entlang der Straße um den Pichola-See mit den Hauptattraktionen Palast und Tempel die entsprechenden Geschäfte mit Dingen, von denen man glaubt, Tourist:innen würden sie besonders gerne kaufen. Hier sind das indisch anmutende Röcke, Blusen und Hosen, Miniatur-Malerei, wofür die Stadt berühmt ist, und Läden, die maßgeschneiderte Kleidung innerhalb von 24 Stunden herstellen. Dazu gibt es jede Menge Läden mit der Spezialkombination: Mopeds verleihen, Geld wechseln oder Zug- und Bustickets verkaufen. Von der Hauptstraße abbiegen und eintauchen in ein unüberschaubares Gassengewirr, noch einmal rechts und einmal links und auf einmal sind wir mitten im Bada Basar. Herrlich! Die anderen Tourist:innen haben wir hinter uns gelassen. So viele kleine Geschäfte, und vollkommen verschiedene. Hier gibt es wirklich jede Menge Fachgeschäfte. Sei es der Nudel-Laden, das Fachgeschäft für Schlösser oder Reis-Kochtöpfe, die Chips-Manufaktur oder der Chili-Laden… Es ist für mich ein sinnlicher Genuss durch die kleinen Straßen zu wandeln. Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch die vollgepackten Wagen mit Armreifen, …

Schule in Indien

Wie ist Schule in Indien? Diese Frage reist schon die ganze Zeit mit. Auffällig im Straßenbild ist zunächst einmal, dass indische Schüler:innen eine Schuluniform tragen, egal, ob sie zu öffentlichen oder privaten Schulen gehen. Was noch? Die Schulbusse sind in Indien gelb. Chorischen Sprechen schein hier zum Schulalltag zu gehören, so tönt es aus den Schulhäusern. Mein erster Schulbesuch kam unverhofft. Gestern. Bei einem Ausflug mit dem Motorrad. Am Ende eines nicht mehr gepflasterten Weges durch ein Dorf war nur noch ein großes Tor. Auf dem Schild stand, dass es sich um eine Schule handelt. Während ich davor stehe, kommt vom Hof eine Frau auf mich zu, offen lächelnd: „Good morning, welcome, come in, come in.“ Da sie mehr Worte auf Englisch nicht wusste, rief sie eine Kollegin herbei, die sich als Leena, Englischlehrerin in der Schule vorstellte. Ich erzählte ihr, dass ich Kunstlehrerin in Deutschland sei und großes Interesse hätte, eine indische Schule kennen zu lernen. „Come“, sagte sie und führte uns durch alle 8 Klassen dieser kleinen Dorfschule. Üblich ist, dass die Kinder …

Auszeit und Zukünfte

Die letzten drei Tage das Bett hüten. Schniefend und hustend. In Udaipur. In unserem hellen, weißen Zimmer mit Blick auf den See und die weißen Paläste. Das mit der Zeit wandernde Licht und die Schatten auf der Wand, klingelnde Glocken vom Tempel gegenüber, die leise tuckernden Touristenboote auf dem See und Vogelschreie. Abends werden sie abgelöst von Puja-Chören und den sehnsüchtig klingenden Männergesängen, die sich mit Gitarre begleiten…von mehreren Dächern gleichzeitig, mal wieder ein Sound-Tamasha. In Udaipur ist jedes Haus um den See ein Hotel mit Restaurant und Rooftop. Tagsüber schlafen, nachdenken oder lesen. Zum Thema „Zukunft“. Weil die Nachrichten aus aller Welt nicht eben hoffnungsfroh stimmen. Weil immer wieder die Frage auftaucht, ob es einen Unterschied macht, wenn wir die Zukunft nicht nur als düstere Gegend, als Katastrophenszenario beschreiben, sondern als einen Raum wahrnehmen, in dem sich eine Vielfalt an Möglichkeiten ereignen können. Warum sind dystopische Geschichten so viel häufiger als utopische? Und schaffen unsere Bilder von der Zukunft die entsprechenden Wirklichkeiten? Zu den Fragen finden sich Bücher (was für ein Glück, dass in …

Im Gedenken…

Ein Beitrag für alle, die mit der CoreDynamik und Bernhard Mack verbunden sind. Heute ist der 21. November 2024. Der Geburtstag von Bernhard, er wäre heute 76 Jahre alt geworden. Ich denke an ihn als Musik Liebenden, der sich lauschend in ungezählten Stunden durch die Weltmusik bewegte… … und der damals unsere Ausbildungsgruppe mit folgendem Stück beginnen ließ, das für ihn vermutlich auch ein persönliches Mantra war: „I did it my way“ von Frank Sinatra. Aus dem Moment improvisierend legte er die Musik für Atemreisen auf, genau abgestimmt auf die Reisegruppe und das Geschehen im Feld. Oft brachte er sich selbst als Musiker ein. Seine Stimme und der Ruf seiner Flöte, der Sound von Saxophon und Digderidoo bis hin zu den unterschiedlichen Tönen seiner großen Sammlung von beeindruckenden Gongs waren wundervolle Klanggeschenke. Bernhard wollte Räume öffnen, eintauchen, begleiten – auf allen möglichen Wegen… Ich denke da an ihn als genialen Witze-Erzähler. Hatte er den Eindruck, eine Gruppe sei zu angespannt, dann eröffnete er die Runde mit einem Witz… Einige werden sich erinnern, wie er im …

Wohnen

Neben den tradierten und idealtypischen Vorgaben des „Vastu Shastra“ für die Baukunst (s. Artikel: Himmel, Herrschaft, Haveli) gibt es in Indien noch eine wesentlich stärker verbreitete Form des Bauens, insbesondere beim Wohnungsbau. Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt ist ein Betonskelettbau meist die Grundlage des Gebäudes. Die Freiflächen werden mit Ziegeln ausgemauert. Die Stützstreben für den Betonguss der Etagen sind in der Regel Bambus- oder Holzstäbe. Häufig sehen wir mehrstöckige Gebäude, bei denen das Erdgeschoss schon bezugsfertig ist, der erste Stock aber noch auf Fertigstellung wartet. Oder Teile eines Gebäudes sind gemauert, andere verputzt und wieder andere sogar angestrichen. Es scheint auch hier alles ein Prozess des Werdens und Vergehens zu sein, sicherlich auch in Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten. Kirtee Shah, ein indischer Architekt, schätzt, dass über 70 % aller Wohneinheiten in Indien ohne Architekt, Baugesellschaft, Bauplan und Genehmigung entstehen. Und dann gibt es natürlich auch insbesondere in den Städten Neubauten, bei denen mit Fertigbauteilen gearbeitet wird und sogar die Verkabelung unter Putz angelegt wird. Und wie immer in Indien, findet …

Serie: Endgegner:innen

Neben den Reisestationen auf dem indischen Kontinent gibt es auf der inneren Reise gelegentlich sehr intensive Momente. Letztens saß ich mit neuen unterschiedlichen Endgegner:innen nacheinander am Tisch. Nachtrag: Einen Haufen innere Stimmen oder Gestalten hat vermutlich jede:r von uns. Für mich werden sie zu Endgegner:innen, wenn sie sich in voller Größe am anderen Ende des inneren Tisches oder wo auch immer in den Weg stellen und Ansprüche stellen, z. B. die Einzige sein zu wollen, die Größte, Einflussreichste oder Wahrhaftigste. Endgegner:innen, wenn Sie mich über den Tisch ziehen wollen. Wenn es eng wird In den Selbstkonzepten. So vielleicht…

Fremd sein 2: Zeit

Vorab kommt hier aufgrund einiger Anfragen ein kleiner Technik-Einschub: Falls du bisher den Eindruck hast, unsere Artikel brechen mittendrin ab, dann tippe nochmal auf die Überschrift und du kommst zum gesamten Artikel mit allen Bildern und mit einem Ende:) Wir sind jetzt einen Monat in Indien. Manches ist mir vertraut geworden, wie der anmutige Gang der Frauen in ihren Saris, die Schreine für die Götter an jeder Ecke, die bunten Märkte und köstlichen Garküchen oder das holperige Fahrgefühl in den Tuktuks… An Einiges will ich mich nicht gewöhnen: lautes Hupen, speiende Männer. Das Fremde bleibt spannend! Langsam wird mir deutlich, wie tief die chronologische Zeit-Wahrnehmung mir in den Knochen sitzt! Mit welcher Selbstverständlichkeit ich davon ausgehe, dass etwas zu einem angegebenen Zeitpunkt tatsächlich beginnt. Und dass ein Ereignis auf das andere folgt im geordneten Nacheinander und in sortierten Ursache-Wirkungs–Verhältnissen. Und wie oft wird es zeitlich eng bei mir, weil ich einen Punkt nach dem anderen abarbeite und Ungeplantes nicht vorgesehen ist, bzw. eher als Störung wahrgenommen wird. Das Leben in einer linearen erlebten Zeitstruktur mit …