Alle Artikel in: Reisenotizen

Die Stadt

Wir sind nicht die ganze Zeit in unserem oder im Nachbardorf geblieben in den letzten zwei Monaten. Alle zwei bis drei Tage ging’s in die Stadt. Nach Calatayud. Mit knapp 20.000 Einwohner:innen die zweitgrößte Stadt in Aragon. Schon beim ersten Besuch fand ich die zusammengewachsenen Platanen auf dem Paso de Aragon faszinierend. Da muss ein Gärtner sich ja die Mühe gemacht haben, die Zweige so zusammen zu binden, dass sie mit den Jahren zusammenwachsen. Diese verbundenen Zweige konnte man im März noch richtig gut sehen, in den folgenden Wochen wuchsen die Triebe zu einem immer dichter werdenden Blätterdach, das dem zentralen Paseo jetzt eine angenehme Kühle schenkt. Je wärmer es wird, desto mehr findet hier statt. Alle Cafés stellen Tische und Stühle raus, kleine Holzhütten werden aufgebaut, in denen abwechselnd mal Bücher mal Kunsthandwerk ausgestellt und verkauft werden. Das „Anyelo“ ist unsere Stammcafeteria. Meist kommen wir morgens vor dem Einkauf vorbei auf einen Café con Lecche, Churros und eine Tostada con Tomate. Wir sind nicht die einzigen Stammgäste, und der Wirt weiß jeweils schon beim …

PS: Das Dorf

An „Quijote“, dem Ritter von der traurigen Gestalt, kommt man nicht vorbei. Der Roman von Miguel de Cervantes ist die Sichtweise Spaniens seiner selbst. Fast jede Überlegung zu Spanien sieht zunächst beim „Quijote“ vorbei. Auch deshalb stehen Don und Sancho Panza noch immer in etlichen Vorgärten. Es heißt ja, dass die Spanier:innen die Menschen retten müssen, die da in der glühenden Hitze der öden Ebene vor sich her schmoren, im sogenannten leeren Spanien, in der Provinz. Es brauche dort Autobahnen, Kreisverkehr, Reihenhäuser mit bodentiefen Fenstern, Supermärkte, Stauseen, Entwicklung, Wachstum… Diese leere Landschaft sei ein zu lösendes Problem. Und diese Provinz wird oft verachtet wie im „Quijote“, auch von den Menschen, die dort leben. Heißt es. Es gibt das herrliche Buch „Der Hipster von der traurigen Gestalt“ von Daniel Cascón. Die Geschichte: Ein Hipster aus Madrid will im Auftrag der Regierung in einem Dorf im leeren Spanien „den organischen Zusammenhalt und die tiefe Verbundenheit aller Lebewesen untereinander sowie mit ihrer Umgebung stärken, ausgehend vom Respekt zwischen den Geschlechtern und Arten und einer auf kollaborativer Horizontalität gegründeten, …

Die Ankunft des Chips und der Weg

Die Sonne scheint, es ist fast heiß. Vögel, die drei namenlosen Katzen, der alte Hund „Alba“, blauer Himmel. Bi sitzt in ihrem orangenen und ich in meinem blauen Campingstuhl, die wir bei Al Campo in der Stadt gekauft haben. Aus den Stühlen kann man auch kleine Liegen machen. Dazu Chips und Erdbeeren, ein Bitter Kas mit Zitrone. Ich döse, Bi denkt. Wir sitzen vor unserer Haustür in der Calle Fuente 11, Torralba de Ribota, Region Saragossa, Aragón, Spanien. Im Dorf ist es wie immer still, bis auf das Vogelkonzert, alle 15 Minuten die Turmuhr, aus der einzigen Bar im Ort hört man ganz, ganz weit hinten den Fernseher, Fußball. Um 12 Uhr mittags ist es hier wie in „12 Uhr mittags“, auch mit den Pflanzenkugeln, die sich vom Wind angetrieben durch die Gassen kugeln. Ihr wisst schon. Die Schwalben zischen manchmal durch unsere Gasse und jagen sich. Wir beobachten aus unseren Campingstühlen träge und wortlos eine Ameise, wie sie neben uns das Stück eines Chips huckepack nimmt und sich auf den Weg zum Nest macht. …

Erde und Wasser – Monasterio de San Piedra

In der Farbenlehre haut das so nicht hin, aber im echten Leben ist es so: wenn Erde und Wasser zusammenkommen – dann wird es grün… und was für eine Vielfalt von Farbtönen. Im Park des Monasterio de San Piedra konnten wir das bestaunen. Ein riesiges Gelände, der Weg führt teils auf Wegen, teils auf Treppen in Schluchten hinab, vorbei an Wasserfällen, die in kleine Seen und Flüsse münden, sich entlang schlängeln an Wiesen und durch Waldstücke. Wir kommen an versteckten Höhleneingängen vorbei und müssen durch Tunnel gehen, um schließlich wieder am Kloster anzukommen. Vor ein paar Monaten hat das Grün, das überbordende pflanzliche Wachstum in Kerala, mich zu einer Fotoserie inspiriert. Dieses Mal ist es die Verbindung von Wasser und Erde. Von fließendem und festem Dasein. Diese Unmengen von grünen Schattierungen… Ein Fest für die Sinne! Und dann noch das Glucksen und Gluckern des fließenden Wassers, das Brausen der Wasserfälle, oft schon zu hören, bevor wir den Wasserfall überhaupt sehen. Im vergangenen Jahr hat es hier mehrmals extremen Regen gegeben, was dazu führte, dass sämtliche …

Das leere Spanien

Wir wohnen in Torralba de Ribota. Unser Dorf liegt in Aragón und Aragón liegt im „leeren Spanien“. Die Hauptstadt der Autonomen Gemeinschaft Aragón (Bundesland) ist Saragossa, eine Stadt mit rund 700.000 Einwohnern, eine knappe Autostunde von uns entfernt. Die eine Hälfte der Aragónes:innen lebt dichtgedrängt in Saragossa, etwa die andere Hälfte – genauer 600.000 – lebt auf einem Gebiet das größer ist als die Niederlande (wo 17 Millionen Menschen leben). Eine gewaltige Menschenleere. Der Moncayo ist über 2.300 Meter hoch. Schon von weitem taucht er majestätisch am Horizont auf, er scheint über die Landschaft und die Menschen zu wachen. Auf seinem Gipfel laufen drei ehemalige Königreiche der Iberischen Halbinsel zusammen: Navarra, Kastilien und Aragón. Von hier Oben überblicken wir einen Teil der Meseta, bei gutem Wetter sieht man die ersten Ausläufer der Pyrenäen und das breite Ebrotal. Das ist aber nur ein Teil des „leeren Spanien“, das insgesamt den fünf Autonomen Gemeinschaften Kastilien-La Mancha, Kastilien und Léon, der Extremadura, Aragón und La Rioja entspricht. Das sind 268.083 Quadratkilometer. Ohne ein Stückchen Küste, stattdessen meistens beträchtlich …

Der Weg nach Aniñon – und viele Weggefährten

Bis zu unserem Nachbardorf Aniñon sind es knapp 4 km, ein ziemlich direkter Wanderweg über die Hügel. Hier wächst viel. Klar, ist ja auch Frühling. Wir wollen wissen, wer hier alles mitmischt im bunten Wegsaum. Also los mit „picture this“, die Pflanze in den Bildfokus nehmen, klick, schon läuft die Erkennungsapp, zack, das Ergebnis steht fest, es handelt sich um…und dann steht da nicht nur der Name, sondern auch die Gattung und der Familienname. Diese Pflanzenwelt ist bunt und die jeweiligen Namen sind mindestens genauso schön und oft überraschend, deswegen sollen sie undbedingt genannt werden! Dann kommen noch die Geschichten dazu, die Verwendung, Heilkräfte und symbolischen Bedeutungen…also los. Machen wir uns auf den Weg. Diese etwas unscheinbare, aber sofort stachelig daher kommende Pflanze war eine der ersten Begegnungen. Flammen-Adonisröschen Was für ein großer Name für so kleine Blumen, die man fast übersieht. Kann aber auch brennendes Teufelsauge oder feuerrotes Blutströpfchen heißen. Wer macht eigentlich die Namen? Thymian Ok, hier haben wir ganz gewöhnlichen Thymian, aber er musste in die Sammlung, weil er hier gerade so …

Blackout?

Gerade haben wir noch Mittag gegessen, der Mann will spülen und der Wasserkocher geht nicht mehr. Kaputt? Ah, im Kühlschrank ist auch kein Licht, kein einziger Lichtschalter lässt irgendetwas heller werden und dann ist klar: Stromausfall. WLAN ist auch weg. Lucía, unsere Vermieterin kommt vorbei und sagt, dass im ganzen Dorf der Strom ausgefallen ist. Wenig später die Nachricht, dass ganz Nordspanien betroffenen ist. Der Nachbar will von der Koreanerin im Dorf gehört haben, dass auch Frankreich und Japan ohne Strom sind. Jetzt echt? Das fühlt sich komisch an. Wir sitzen vor dem Haus, lesen, in einem Buch. Was ist das jetzt? Ein Cyberangriff? Eine technische Großpanne? Und wir ahnen, wie abhängig wir sind von der technischen Versorgung. Lucia meint, Torralba sei ein guter Ort, um ohne Strom zu sein. Es wird noch ruhiger. Außerdem kochen wir mit Gas. Wasser ist auch noch da. Nach 5 Stunden ohne Strom gehe ich in Gedanken durch, was wir an Vorräten haben. Wenn wir rationieren, müsste man eine Weile damit zurecht kommen. Der Mann ist skeptisch. Was jetzt …

Reise nach Cuenca

Ausflüge machen, ist herrlich! So richtig mit Übernachtung. Der Mann hat „Cuenca“ entdeckt. Es war ein Artikel in der FAZ, durch den er auf den Ort aufmerksam geworden ist. Ich hatte auch noch nie zuvor von dieser Stadt gehört. Vorgestern sind wir morgens losgefahren. Schal und mehrere Jacken übereinander, damit wir bei 7° mit offenem Verdeck fahren können. In Molino de Aragon haben wir nach anderthalb Stunden Pause gemacht, um uns aufzuwärmen. Ein Dorfbäcker, wie man es sich vorstellt: jeder kommt vorbei, ein schneller Kaffee am Tresen oder ein lauschiger Dialog mit Kolleg:innen. Eine Bäckereifachverkäuferin, die sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zwischen Siebträgermaschine und Kaffee kochen, Baguette verkaufen und munteren Wortwechseln bewegt hat. Danach sind wir mit geschlossenem Verdeck weiter gefahren, so dass Hände und Füße warm bleiben konnten. Und dann Cuenca, so eine schöne Stadt! Unmöglich, sie nicht zu kennen! Gegliedert in Ober- und Unterstadt, viele schmale Gassen, alte und gut restaurierte Häuser, Kirchen, einen Plaza Major mit Kathedrale, zwei Flüsse, mehrere, Brücken, eine Fußgängerzone, keine Kaufhausketten, viele Bars und Cafés, noch nicht so viele …

Torralba de Ribota

Ach, unser Dorf, unser Torralba de Ribota ist eine Liebe auf den ersten Blick. Zum Glück liegt es nicht, wie andere Dörfer direkt an der Nationalstraße, sondern hinter einem Hügel versteckt. Der schönste Moment ist der, wenn wir mit dem Auto um die Kurve kommen und dann liegt es da. Das höchste Bauwerk ist die im Verhältnis zum restlichen Dorf unfassbar große Kirche, die hier schon seit dem 14. Jahrhundert steht. Und weiter rechts der Torre Alba, der weiße Turm, genauso lange schon am Ort und Namensgeber für das Dort, das in der Nähe des Flusses Ribota liegt. Um die Kirche San Felíx scharen sich die Häuser, alle mit den typisch rostroten Ziegeldächern, mit kleinen Fenstern, die meistens keinen Blick nach innen gewähren, weil ewig die Rollos herunter gelassen sind. Ein Netz enger Gassen, die meist menschenleer sind. Gelegentlich wird gefegt, also auch hier! (Eine kleine Verbindung zu Asien, wo das Fegen ja so allgegenwärtig war.) Wenn wir bei den Wohnhäusern bleiben, dann ist typisch, dass um die Fenster herum der Rahmen farblich abgesetzt wird, …