Morgens um fünf standen wir an der Straße, um den ersten Bus zu erwischen. Dann kommt aus dem Dunkeln ein Auto. Ein Mann steigt aus: „Howrah Railwaystation? 200 Rupien!“ Wir steigen zu und rollen dann zu fünft schweigend in dem kleinen Wagen quer durch die noch dunkle Stadt. Unser Abschied von Kolkata.
Welchen Zug wir denn hätten, fragt mich der Fahrer. Ich erzähle etwas holprig von Gaya, 6:50 Uhr Abfahrt und so. Keine Reaktion. Der Fahrer schmeißt seine Handy an und sucht akribisch. Wir vier anderen achten besorgt auf die Straße.
Dann zeigt er mir eine Übersicht der abfahrenden Fernzüge nach hinten in den Fond, dabei einem Tuk-Tuk etwas spät ausweichend. All die Züge haben einen Namen. Und ich sehe unseren Zug. Ich so: „Vande Bharat Express“. Und er so: „0h, Vande Bharat! Ok. It is the Old Howrah“. Jetzt schien alles geklärt.
Dass Züge einen Namen haben und diese auch noch präsent sind, finde ich ziemlich cool, klingt ja auch fast wie „Orient-Express“ unser „Vande Bharat Express“.
Zwei Tage habe ich gebraucht, um unsere ersten Tickets bei der IRCTC zu buchen, der Indian Railway Catering & Tourism Corporation Ltd. Und ich wage zu behaupten, dass meine beiden Jungs es nicht schneller geschafft hätten.
Und nun stehen wir in diesem riesengroßen, hohen und altehrwürdigen Bahnhofsgebäude aus dem der Kolionalismus nur so rausquillt. Viele Menschen, auch Familien liegen wartend oder schlafend auf dem Boden in bestimmten Zonen. Es ist eine eher ruhige rücksichtsvolle Stimmung. Die Akustik der Halle dämmt den Lärm. Überdimensionale Ventilatoren schaffen eine angenehme Brise, nicht die seelenlose Kälte aus Klimaanlagen.
Der „Vande Bharat Express“ fährt von Gleis 7, so die Durchsage. Unsere Sitze befinden sich in Abschnitt C 12.
Auf dem Bahnsteig hängen Passagierlisten aus, mit Namen, Geschlecht und Alter. Wir werden mit die Ältesten sein, in C 12. Dort stehen die AC Chair Cars, eine klimatisierte Klasse mit der der junge aufstrebende Mittelstand reist, viele Familien. In Indien gibt es bis zu sieben Zugklassen.
Während der knapp sechs Stunden wurden am Platz serviert: Wasser, Chai, Breakfast, Lunch (veg. oder non veg.) und die Sonntagsausgabe der Indian Times. Und alles in einer sehr entspannten Atmosphäre. Mal abgesehen von ein paar Kids, die ohne Kopfhörer auf ihren Handies daddeln.
Unser „Vande Bharat“ rollt, er rast nicht, durch apokalyptische, nicht endende Kohlereviere, entlang von tausenden Kohlewaggons und etlichen Kraftwerken, die kaum zu erkennen sind. Die Sicht ist gleich null, der Smog erscheint teilweise wie eine Wand und die Menschen auf den Bahnsteigen sehen bleich aus.
Dann wechseln wir in eine Savanne, die Luft wird klarer, man erkennt die Sonne und dann hinein in eine fast tropische Landschaft voller wucherndem Grün.
Pünktlich auf die Minute kommen wir in Gaya an. Wir sind im Bundestaat Bihar.