Autor: Thorsten

Kuang Si

Um es vorweg zu nehmen, wir haben es nicht bis zum Wasserfall von Kuang Si geschafft. Wir sind früh los, mit dem Moped raus aus Luang Prabang. Auf dem kleinem Markt am Stadtrand sind wenige Stände schon geöffnet. Ich esse einen Eintopf, der Magen von Bi ist noch nicht so weit. Sie besorgt kleine Bananen für die Fahrt. Es geht weiter. Vorbei an den noch schlafenden chinesischen Resorts vor den Toren der Stadt, den noch ruhenden Baustellen, auf denen weitere seelenlose Bauten entstehen. Von Chinesen für Chinesen. Eine nach der anderen fräst sich in die Berge. Hinter den Bergen wird es jetzt heller, es bleibt aber bedeckt. Die Schlaglöcher nehmen zu, der Asphalt wird brüchig bis er ganz verschwindet. Die Straßen werden zu Schotterstraßen, die uns in die Berge bringen, so steil, dass unser Moped ganz schön kämpfen muss. Kaum noch Autos, die den Sand aufwirbeln und uns so richtig einnebeln. Mit uns fahren die Laot:innen auf Mopeds in ihre Dörfer in den Wäldern, in den Bergen oder in die Stadt. Wir stoppen das erste …

Vietnam – ein Annäherungsversuch

Diese Zeilen entstehen auf dem Weg nach Laos. Einen Monat waren wir in Vietnam, in den Orten Hanoi, Tràng An und Hoi An, in der Region Ninh Binh. Gerade genug Zeit, um sich diesem Land etwas anzunähern, etwas. Es bleibt ein Fragment, ein Bruchstück, unvollendet und der Eindruck, dieses Land zu früh wieder zu verlassen. „Die Herausforderungen, die das vietnamesische Volk im Lauf der Geschichte meistern musste, sind so groß wie die höchsten Berge.“, aus „Der Gesang der Berge“ von Phan Quế Mai, Nguyễn. Im Januar 2025 berichten die vietnamesischen Medien, dass Hanoi die am stärksten luftverschmutzte Stadt der Welt sei. Die kommunistische Regierung werde nun gegensteuern und den Anteil der Elektrofahrzeuge drastisch erhöhen. Dem Beispiel Chinas folgen, heißt es. Der vietnamesische Autobauer Vinfast möchte, dass der neue Elektrokleinwagen VF 3 das „Nationalfahrzeug“ der Vietnamesen werde. Der VF 3 ist robust, 3,20 Meter lang, der Innenraum ist minimalistisch. Fünf Leute passen rein. Erst die Chinesen, dann die Mongolen, dann die Franzosen, dann die Japaner und schließlich die Amerikaner. Und viel Mist, den die Vietnamesen einander …

Pho

Die Pho (ähnlich ausgesprochen wie das englische Fell, also „fur“, wobei man das r fast verschluckt) stammt ursprünglich aus Hanoi, also aus dem Norden von Vietnam. Ihr Name leitet sich möglicherweise von dem französischen Pot au feu ab. Die Basen der Pho und des Pot au feu stehen mindestens fünf Stunden auf dem Herd, sie sind dadurch wesensverwandt. Es ist morgens in Hoi An, während ich diese Zeilen schreibe. Die Stadt in Zentralvietnam hat zwei große Märkte. Auf dem einen in der Altstadt, mit seiner Markthalle, stoppen die Busse mit den Touristen von den Kreuzfahrtschiffen. Die Busse sind durchnummeriert, Aida 17 usw. Dennoch mögen wir diesen Ort, dazu später mehr. Heute Morgen sind wir auf dem zweiten Markt. Hier verlieren sich nur wenige Fremde. Auf diesem Markt steht ein Schuppen, in dem Schuppen eine Garküche, betrieben von Mutter und Tochter. Hier gibt es nur eine Suppe, eine Pho, für umgerechnet 1,60 Euro, Einheimische zahlen 1,20. Tourizuschlag. Es ist Frühstückszeit. Die Brühe in einem großen Topf mitten im Schuppen, kräftig, pikant, leichte Schärfe. Auf meinem Tisch …

Mrs. Ha oder ausgerechnet Hoi An

Wir sind tagsüber mit dem Zug von Hanoi nach Da Nang unterwegs, von dort geht es weiter nach Hoi An. Die Fahrt auf der berühmten Strecke Hanoi – Saigon dauert rund 17 Stunden, für 750 Kilometer. Jede Bahnfahrt hat ja so ihre nationalen Besonderheiten: In Vietnam werden vor jedem Stop mehrere Lieder im Zug gespielt. In meinen Ohren klingen diese unfassbar laut und kitschig. Die Vietnames:innen allerdings wiegen ihre Köpfe zu der Musik. Überhaupt ist der Kauf von Kopfhörern mit stabilem noise cancelling eine absolut notwendige Anschaffung für Bus- und Zugfahrten, auch in Vietnam. Und: In dem besonderen Speisewagen erhalten wir einen Klumpen Reis mit ein paar Stücken zähem Fleisch, Soßen aus Plastikflaschen, warmes Bier und dazu Eiswürfel. Womit galant zum eigentlichen und unendlichen Thema dieses Beitrages übergeleitet wäre, der Küche in Vietnam… Die richtig schlecht sein kann, trotz ihres Rufes eine der besten der Welt zu sein. Neele ist noch mit uns und Vegetarierin, was die Sache deutlich erschwert. Auf dem Land kann einem dann schon passieren, dass es so richtig trostlos wird. Auch …

Tràng An

Herrliches Wetter. Sonnenschein und so 22 Grad, leichtes Lüftchen. Wir cruisen mit unseren Rädern durch die Landschaft bei Ninh Bình. In der Hauptsaison ist es hier proppenvoll, jetzt verlieren sich die wenigen Tourist:innen in den vielen geschmackvollen Homestays. Eine Landschaft wie aus dem Reisekatalog, aus dem vietnamesischen Bilderbuch. Wir sind im Delta des Roten Flusses, der diese Landschaft geformt hat. Dieses Gebiet „Trang An“ ist auch bekannt als „trockene Halong-Bucht“. Ähnlich wie in der berühmten Schwester, der „Halong-Bucht“ im Golf von Tonkin, steigen steile Kalksteinfelsen aus den Reisfeldern auf. Es ist ruhig hier und gemächlich. Der Staat setzt hier auf sanften Tourismus, um den Titel als UNESCO Natur- und Kultur-Denkmal nicht zu gefährden. Das wird eine Herausforderung, denn die Region bereitet sich auf weiterhin steigende Besucherzahlen vor, vor allem aus dem naheliegenden Hanoi, China und Japan. Die Vermüllung der Landschaft durch Plastik hat man hier richtig gut im Griff. Allerdings sieht man an etlichen Stellen am Straßenrand Feuer, in denen auch Plastik verbrannt wird. Das ist in ganz Vietnam immer noch üblich und ein echtes …

Atemberaubend

Wir haben uns Fahrräder geliehen und fahren mehrere Tage durch das Umland von Hanoi. Diese Tage liest man, dass Vietnam in 2024 ein Bruttoinlandsprodukt von rund + 7,1 Prozent hatte. Damit entwickelt sich das Land mit seinen 100 Millionen Einwohner:innen zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit. Was dieses Wachstum für das Land „auf dem Land“ bedeutet, haben wir in den vergangenen vier Tagen auch erlebt. Atemberaubend im wahrsten Sinne des Wortes. In nahezu jedem Dorf – und nicht nur dort – wird gebaut: Neue Häuser und Modernisierungen, Wohnanlagen, breite Straßen, Kanalisation, Straßenbeleuchtung, Resorts, Hotels, Golfanlagen, große Wohngebiete, merkwürdige Paläste mitten in der Landschaft. Überall hängen Arbeiter in den Masten und „legen“ Internetzugänge. Wir spüren eine starke Energie bei vielen Vietnames:innen, eine Art Goldrausch. Auf dem Land sind westliche Touristen selten, auf dem Rad erst recht. Überall werden wir deshalb begrüßt, teilweise belächelt. Von den Schulkindern höre ich nach dem obligatorischen „Where do you come from?“ oft und begeistert: „Vietnam, Number One“. Plakate feiern den wachsenden Wohlstand durch Wachstum. Unmengen von schweren Lastwagen transportieren …

Schockverliebt

Im Zentrum von Hanoi verändert der Tourismus gerade das Gesicht der Stadt. Es wird zunehmend chick und hipp, glatt und teurer. Die Tourist:innen navigieren sich mit ihren Handys durch die Stadt, von hot spot zu hot spot, dabei immer in der Gefahr gegen den nächsten Lichtmast zu laufen. Das obligatorische Ritz-Charlton öffnet demnächst und diese mit Werbung beklebten Touristenzüge tingeln auch schon durch die Straßen mit quäkenden, aufgezeichneten, englischen Erläuterungen zum „See des zurückgegebenden Schwertes“. Und alle pilgern zu der berühmten, weil instagrammable, kurzen Bahnstrecke, wo die Züge durch die engen Gassen knapp an den Cafés vorbeifahren. Mittlerweile wegen Überfüllung allerdings problematisch. Aber nicht nur der Tourismus schlägt zu. Das kommunistische Vietnam befindet sich seit längerem in einer enormen wirtschaftlichen Wachstumsphase ähnlich dem ehemaligen chinesischen Modell. In Kürze: Wohlstand ohne Freiheit, so ist der Deal. In der Rangliste der Pressefreiheit liegt das Land auf den letzten Plätzen. Aber sie sind alle da: Gucci, Apple, KFC schon länger, Uniqlo, Shoppingmalls… Auffallend und nicht überraschend die vielen deutschen Limousinen der Oberklasse, die von den chinesischen Konkurrenz bekommen. …

Zwischenraum

Die Fahrer um die Ecke streiten sich, wer uns fährt. Ein letztes Mal das übliche Verhandeln: 200! 150! Mit dem Tuk-Tuk geht es dann zum Abfahrtsort in Pondicherry. Wir fahren von dort mit dem Elektrobus die drei Stunden nach Chennai und nehmen in der ersten Sitzreihe Abschied von Indien. Der Fahrer brettert über die Landstraßen und selbst die fetten SUVs „springen“ zur Seite. Und wie sagt man an dieser Stelle immer: „Die Landschaft zieht an uns vorbei“. Vor Chennai verstopfen sich die Straßen. Überall wird gebaut: Hochstraßen, Hochhäuser, Metrolinien…und abgerissen, um Platz zu schaffen für das Neue. In ein paar Monaten wird sich das Land sehr verändert haben. Wir nehmen die nagelneue und fast leere Metro zum modernen Flughafen von Chennai. Flughäfen sind ja neutrale Zwischenräume. Sie gehören zu keinem Land und dessen Kultur, sehen überall gleich aus. So eine Art Kathedralen und Wartehallen der Globalisierung, Verteilungsstellen. Mit unseren letzten Rupien bestellen wir an der leeren Bar zwei Bier, zwei „British Empire“, die ein halbes Vermögen kosten. Auf den Bildschirmen flimmert Fußball, indische Liga vor …

Ungeklärte Posten

Nach zweieinhalb Monaten in Indien ist vieles, was uns anfangs fremd erschien, mittlerweile verständlich und vertraut geworden. Aber es gibt noch eine ganze Reihe ungeklärter Posten oder Besonderheiten, deren Schönheit unbedingt bewahrt werden soll. Wieso werden in einige alte Bäume gefüllte Plastiktüten gehängt? Ist das möglicherweise Arbeitskleidung, die vor Tieren geschützt werden soll? Oder eine Opfergabe an die Baumheiligen? Das könnte bei den bunten Tüchern oder Saris eher der Fall sein. Im Indian Coffee House haben die Männer, und zwar nur die alten Männer, die Angewohnheit, ihren Kaffee aus der Tasse auf die Untertasse zu gießen und ihn dann genüßlich zu schlürfen. Wozu gibt es dieses Verkehrsschild? In Indien bleibt vieles in Plastik eingepackt, die Stuhlbeine, die Fernseher, die Matratzen, die wertvollen Handtaschen, die Autositze, die Armaturen im Tuk-Tuk… Es gibt hier kaum Klopapier, stattdessen eine Brause mit kräftigem Strahl. Deren optimale Anwendung ist uns noch immer nicht ganz klar. Es ist in Indien üblich, mit der Hand zu essen. Nicht nur im privaten Raum, sondern auch im Restaurant. Inder:innen essen grundsätzlich nur mit der …

Wo der Pfeffer wächst

Kurz vor Weihnachten erreicht mich aus Bayern eine Nachricht, mit Folgen. Meine Kollege Michael und seine Frau schreiben: „Kurzer Nachtrag noch: Pondicherry – dort gibt es einen der besten Pfeffer der Welt“. Mit dieser Nachricht beginnt eine kleine und wunderbare Odyssee. Ist das dieser Pfeffer, der die obige der drei Saucen vor uns so köstlich prägt? Ist der rot? Wie sieht eigentlich eine Pfefferpflanze aus? Wo wächst der Pfeffer? Fragen über Fragen. Auf Nachfrage schreibt mir Michael: „Bei uns unter Pondicherry-Pfeffer bekannt. Halte nach den roten Beeren Ausschau. Hier einer der teuersten Pfeffersorten, die es gibt“. Wir machen uns am nächsten Tag auf den Weg, mit dem Moped in das Hinterland von Pondicherry. Auf der Suche nach dem „Pondi-Pfeffer“. Wir fahren früh los. In der Nacht hat es geregnet und es ist bedeckt. Düfte in der frischen Luft, sobald wir aus der Stadt sind. Kaum Plastikmüll. Die Menschen sind auf den Straßen. Eine berührende fröhliche Atmosphäre, überall winkt und ruft man uns zu. Ein Fest am Dorftempel: Junge Männer malen ein kommunistisches Graffiti an die …