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चावल

… es ist ungefähr 6 mm lang, hat etwa 1,5mm Durchmesser und es wiegt 20 – 40 mg. Es ist unbegrenzt haltbar. Für über die Hälfte der Weltbevölkerung ist es lebensnotwendig.

Alle Jahre wieder. In Indien wird es zweimal im Jahr in die Erde gelegt – und das seit 6000 Jahren. Feuchte Erde oder geflutete Erde. Es wächst, von 50 cm bis zu 1 m Höhe erreicht es und nach einem halben Jahr kann es mit der Sichel geerntet werden. Dann hat es sich vermehrt und aus dem einen sind viele geworden, bis zu 3000 an einer Rispe. Dann muss es getrocknet und gedroschen und meist auch geschält werden.

Bis es schließlich in der Straße ankommt, in der unser Hotel sich befindet, in Trivandrum, Bundesstaat Kerala im Süden Indiens.

Es wird auch das „Korn des Lebens“ genannt. Reis.

In den Hallen sitzen die Herren an ihren Tischen und handeln mit Reis.

An die 50 verschiedene Sorten hat unser Händler gegenüber. In den kleinen Schälchen aufgereiht, haben sie eine beeindruckende Vielfalt in Größe und Farbigkeit, dazu poetisch klingende Namen: Bharat Ponni, Shilpa OT oder Rose Kama.

Auf Tafeln werden die Tagespreise angeschrieben. Es gibt ein Team von Trägern, die in dieser Straße die vorfahrenden Lastwagen mit den 30 Kilo Säcken be- und entladen.

Und wie geht der Weg vom Korn zum Reis?

Als wir in Bodhgaya waren, wusste ich am Anfang nicht, ob das Grün um uns alles Reisfelder sein könnten. Ich hatte die Pflanze noch nie in echt gesehen und eine innere Vorstellung von gefluteten Feldern in Terrassenform – und so sah das hier überhaupt nicht aus.

Also kleine Recherche im Internet:

Die übliche Anbaumethode ist der Nassreisanbau, bei dem die Felder geflutet werden. Das hält Schädlinge ab und verhindert das Wachstum von Unkraut, allerdings kann die Herstellung von einem Kilo Reis 3000 bis 5000 Liter Wasser verschlingen.

Für trockene Gegenden gibt es auch den Trockenreisanbau, der aber nicht so hohe Erträge bringt und bislang den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden erforderte.

Wie könnte man nachhaltiger Reis anbauen und die Erträge steigern?

Anfang der 80er Jahre hat auf Madagaskar der Franziskanermönch Henri de Laulanié gemeinsam mit Bauern durch Ausprobieren und Beobachten eine Methode entwickelt, die „System of Rice Intensivication“ (SRI) heißt. Höhere Erträge konnten durch vier wesentliche Veränderungen erzielt werden:

1. Die vorgezogenen Setzlinge werden schon nach 8 – 12 Tagen sehr sorgfältig von Hand einzeln, mit viel Abstand und nicht mehr eng und in Büscheln in die Erde gesetzt.

2. Der Boden wird mit organischem Kompost und Dünger angereichert.

3. Es wird nur nach Bedarf bewässert und nicht mehr geflutet.

4. Sehr arbeitsintensiv ist dadurch das Unkraut hacken von Hand, wodurch der Boden aber gut belüftet wird.

In meinen Ohren klingen diese Veränderungen nicht so revolutionär, aber offensichtlich machen sie einen großen Unterschied zum konventionellen Reisanbau aus.

Bodhgaya

Zurück nach Indien und zu einer wahren Geschichte aus Bodhgaya. Die Böden sind hier fruchtbar, doch die meisten Bauern haben nicht genug Land, um ihre Familien zu ernähren. Trotzdem wollte 2007 in Bodhgaya zunächst kein Bauer den Vorschlägen des Agraringenieurs Anil Kumar Verma folgen und den Reisanbau auf das SRI-System umstellen, schließlich wisse man ja, wie Reis angebaut wird.

Einzig die Bäuerin Kuntu Devi war bereit, einen Versuch zu starten. Mit Mann und Kindern bebaute sie 0,6 Hektar Land. Sie lernte, dass statt der üblichen 40 Kilo Saatreis für 1 ha zwei Kilo mit der neuen Methode genügen. Zunächst spotteten ihre Nachbarn, da ihr mit größerem Abstand bepflanztes Feld am Anfang recht kahl wirkte. Die Aufregung im Dorf stieg, als sich kräftige Halme entwickelten, und vor allem, als sie schließlich vier Mal so viel erntete wie ihre Nachbarn.

In der folgenden Anbaurunde waren gleich 100 Frauen bereit auf SRI umzusteigen und mittlerweile wird die Methode in vielen Bundesstaaten in Indien erfolgreich eingesetzt.

Und darüber hinaus?

Wie immer gibt es begeisterte Verfechter der Methode und Kritiker, die hier auch genannt sein sollen, denn diese halten diese Methode nur geeignet für Kleinbauern, die mit dem Einsatz der ganzen Familie die Feldbearbeitung bewerkstelligen können.

Etwa zehn Millionen Bauern in über 60 Ländern, die meisten von ihnen Kleinbauern in Asien, Afrika und Lateinamerika, nutzen SRI. Im Schnitt ernten sie 20-50% mehr als üblich, brauchen 90% weniger Saatgut und 20-100% weniger Mineraldünger und sparen knapp die Hälfte an Wasser.

UND: Kuntu Devi, die selber weder lesen noch schreiben lernen durfte, konnte aufgrund der hohen Erträge nicht nur die Familie ernähren, sondern auch ihre Kinder zur Schule schicken.

Bodhgaya

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