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Die Stadt

Wir sind nicht die ganze Zeit in unserem oder im Nachbardorf geblieben in den letzten zwei Monaten. Alle zwei bis drei Tage ging’s in die Stadt. Nach Calatayud. Mit knapp 20.000 Einwohner:innen die zweitgrößte Stadt in Aragon.

Schon beim ersten Besuch fand ich die zusammengewachsenen Platanen auf dem Paso de Aragon faszinierend. Da muss ein Gärtner sich ja die Mühe gemacht haben, die Zweige so zusammen zu binden, dass sie mit den Jahren zusammenwachsen.

Diese verbundenen Zweige konnte man im März noch richtig gut sehen, in den folgenden Wochen wuchsen die Triebe zu einem immer dichter werdenden Blätterdach, das dem zentralen Paseo jetzt eine angenehme Kühle schenkt.

Je wärmer es wird, desto mehr findet hier statt. Alle Cafés stellen Tische und Stühle raus, kleine Holzhütten werden aufgebaut, in denen abwechselnd mal Bücher mal Kunsthandwerk ausgestellt und verkauft werden.

Das „Anyelo“ ist unsere Stammcafeteria. Meist kommen wir morgens vor dem Einkauf vorbei auf einen Café con Lecche, Churros und eine Tostada con Tomate. Wir sind nicht die einzigen Stammgäste, und der Wirt weiß jeweils schon beim Reinkommen, wer was bestellen wird. Auch uns begrüßt er nach einigen Besuchen nur noch mit zwei erhobenen Fingern und zweimaligem Winken. Ein kurzes Nicken unsererseits und kurz darauf steht das Frühstück auf dem Tisch.

Egal, wo man sitzt, man hat immer einen guten Blick auf mindestens einen der drei großen Bildschirme, auf denen den ganzen Tag Nachrichtensendungen laufen. Außerdem gehören auch vier Spielautomaten zum modernen Interieur und es gibt auch noch Tageszeitungen für die Gäste. Tatsächlich kennen sich die meisten, die hier herkommen und reden gerne miteinander. So gehört das Nachrichtensprecherinnen-Automatengeklingel-Menschenstimmengewirr zu diesem Raum wie der Duft nach Churros und Kaffee.

Am liebsten bin ich dienstags nach Calatayud gefahren. Das ist der Markttag. Ein kleiner Mercadillo, aber groß genug um bei den vielen Secondhandständen, das eine oder andere gute Stück zu finden.

Hier scheinen alle Frauen der Stadt unterwegs zu sein. Begleitet von einem beständigen Sprachfluss zeigen sie einander Kleider oder Blusen.“Mira, che bueno! Me lleva bien? Que color, me gusta!

Man sagt, dass Calatayud schon immer eine offene Stadt gewesen sei. In den vergangenen Jahrhunderten haben hier Muslime, Juden und Christen recht gut zusammen gelebt. Jede Religionsgemeinschaft hatte ihren eigenen Stadtteil, noch heute sind die Tore davon zu sehen.

Hier muss der Stadtplan herhalten, ich habe die Tore leider nicht fotografiert.

Allerdings ist die Stadt heute christlich dominiert, was besonders zu den Ostertagen in den unzähligen Prozessionen deutlich wurde.

Steht man direkt daneben, geht es durch Mark und Bein…

Jede Kirchengemeinde hat ihre eigene Kleiderfarbe, eine eigene Musiktruppe mit je spezifischen Rhythmen. Und dazu gehört der Wagen mit den heiligen Figuren, Blumenschmuck und Lichterglanz. Am Karfreitag ziehen zur großen Osterprozession alle nacheinander durch die Straßen, die jüngsten Trommler sind vielleicht acht Jahre, die ältesten 80. Wir stehen am Rand und bewundern….

… bis der Regen beginnt und allem ein plötzliches Ende setzt. In Windeseile werden die kostbaren Wagen zurück in ihre Kirchen geschoben, es gibt Unmut unter den Trommlern, Stimmen werden laut, weitermachen oder aufhören ist die Frage… aber für das, was da vom Himmel fällt, sind auch Trommelfelle nicht geeignet. In kürzester Zeit sind die Straßen geleert. Das war’s mit Ostern und der Prozession….

Vermutlich gilt es, ein paar Monate zu warten, bis die Stierkampf-Saison beginnt, eine hervorragend restaurierte Arena gibt es jedenfalls. Aber dieses Ereignis werden wir verpassen – unsere Zeit in Spanien geht dem Ende zu. Frankreich ruft.