Die Pho (ähnlich ausgesprochen wie das englische Fell, also „fur“, wobei man das r fast verschluckt) stammt ursprünglich aus Hanoi, also aus dem Norden von Vietnam. Ihr Name leitet sich möglicherweise von dem französischen Pot au feu ab. Die Basen der Pho und des Pot au feu stehen mindestens fünf Stunden auf dem Herd, sie sind dadurch wesensverwandt.
Es ist morgens in Hoi An, während ich diese Zeilen schreibe. Die Stadt in Zentralvietnam hat zwei große Märkte. Auf dem einen in der Altstadt, mit seiner Markthalle, stoppen die Busse mit den Touristen von den Kreuzfahrtschiffen. Die Busse sind durchnummeriert, Aida 17 usw. Dennoch mögen wir diesen Ort, dazu später mehr.
Heute Morgen sind wir auf dem zweiten Markt. Hier verlieren sich nur wenige Fremde. Auf diesem Markt steht ein Schuppen, in dem Schuppen eine Garküche, betrieben von Mutter und Tochter. Hier gibt es nur eine Suppe, eine Pho, für umgerechnet 1,60 Euro, Einheimische zahlen 1,20. Tourizuschlag.
Es ist Frühstückszeit. Die Brühe in einem großen Topf mitten im Schuppen, kräftig, pikant, leichte Schärfe. Auf meinem Tisch stehen eine Chilisauce, ein Dip aus Fischsauce und eine Paste aus braunen Bohnen. Gereicht werden mir außerdem Limetten und frische Chillischoten. Die Tochter bittet mich, die Einlagen auszuwählen. Schwein, Huhn, eine Art Gekochte oder Innereien, die ich nicht identifizieren kann. Neben dem großen Topf steht ein kleiner, darin eine dunkle Flüssigkeit. Ungefähr zwei Esslöffel dieser Soße kommen in meine Schale zu der Brühe, wie gerne wüsste ich deren Zutaten.
Vietnam ist ja geteilt, in einen tropischen Süden und einen subtropischen Norden. Diese klimatische Teilung spiegelt sich auch in der Pho wider.
Im nördlichen Hanoi gibt es mehr frische Kräuter in der Pho wie Thai-Basilikum, Minze, Koriander und Gemüsesorten aus den vier Jahreszeiten, oft Wasserspinat, nur wenige Fleischstücke, auch Tofu und Fisch. Eingelegter Knoblauch dazu. Insgesamt hat die Pho im Norden einen Hauch von Säuerlichkeit.
Den Süden haben wir nicht bereist. Dort soll die Pho süßer, schärfer sein, mit mehr Kokosnuss, Ananas, Zitronengras und Fleisch.
Hier in Hoi An, mitten zwischen dem tropischen Hanoi und dem subtropischen Saigon, vereinen die Menschen den Norden und Süden. Die Menschen hier wirken ausgewogen, wie ihre Pho sagt man, nicht so säuerlich wie im Norden, nicht so scharf wie im Süden und mit einer Besonderheit: die Paste aus schwarzen Bohnen.
Gestern Abend hat es doll geregnet, ein Wind dazu. Es ist pulloverwarm, wobei die Hiesigen eher zu Winterjacken tendieren. Die Altstadt von Hoi An war trotz Regen und Wind voller Touristen.
Aus dem Restaurant gegenüber Jazz am Klavier, live, auch mal weniger eingängig. Die geschäftstüchtigen Hoianer:innen verkaufen auf der Straße Regenschirme und – umhänge mit lustigen Punkten an die Menschen aus aller Welt. Wenig später laufen viele gepunktet durch die Gassen. Lachen im Regen. Die Mitarbeiter:innen unseres Restaurants sind guter Laune, stehen zusammen, plaudern mit den Gästen über die Familien, den Einkauf vor dem anstehenden Neujahrsfest, über Gott und die Welt, machen Witze. Gemeinsam gucken wir in den Regen auf der Straße, die im Licht der hier so typischen farbenreichen Laternen liegt. Es ist trotz der Fülle an Menschen und Geschäftigkeit leicht und entspannt. Die Menschen von hier verkaufen ihre Seele nicht, so scheint es. Hoffentlich bleibt das so, es ist nur Nebensaison und die Vorfreude auf Tét liegt in der Luft, dem Fest des „Ersten Morgens.“ Die Pho von hier schmeckt genau so.