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Atemberaubend

Wir haben uns Fahrräder geliehen und fahren mehrere Tage durch das Umland von Hanoi.

Diese Tage liest man, dass Vietnam in 2024 ein Bruttoinlandsprodukt von rund + 7,1 Prozent hatte. Damit entwickelt sich das Land mit seinen 100 Millionen Einwohner:innen zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit.

Was dieses Wachstum für das Land „auf dem Land“ bedeutet, haben wir in den vergangenen vier Tagen auch erlebt. Atemberaubend im wahrsten Sinne des Wortes.

In nahezu jedem Dorf – und nicht nur dort – wird gebaut: Neue Häuser und Modernisierungen, Wohnanlagen, breite Straßen, Kanalisation, Straßenbeleuchtung, Resorts, Hotels, Golfanlagen, große Wohngebiete, merkwürdige Paläste mitten in der Landschaft. Überall hängen Arbeiter in den Masten und „legen“ Internetzugänge. Wir spüren eine starke Energie bei vielen Vietnames:innen, eine Art Goldrausch.

Auf dem Land sind westliche Touristen selten, auf dem Rad erst recht. Überall werden wir deshalb begrüßt, teilweise belächelt. Von den Schulkindern höre ich nach dem obligatorischen „Where do you come from?“ oft und begeistert: „Vietnam, Number One“.

Plakate feiern den wachsenden Wohlstand durch Wachstum.

Unmengen von schweren Lastwagen transportieren Baumaterialien und Baugerät auf den überlasteten Landstraßen, wirbeln dabei ständig Staub auf. Über ganze Landstriche hat sich ein feiner grauer Schleier auf die Pflanzen gelegt. Hilflos befeuchten die Menschen die Straßen.

Heute sind wir entlang von etlichen Steinbrüchen bei Ninh Binh gefahren. Die Wohnorte dort sind durch die Staubentwicklung der Brech- und Siebanlagen, der Sprengungen und des Lastwagenverkehrs eigentlich nicht mehr bewohnbar und wirken wie ausgestorben. Auch wir können kaum atmen. Das ist der Preis.

Ganze Berge werden Stück um Stück weggesprengt. Das Wachstum will gefüttert werden, es ist gierig, gefräßig.

Und nebenan stehen die Menschen in den Reisfeldern wie eh und je.

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