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Der Weg nach Aniñon – und viele Weggefährten

Bis zu unserem Nachbardorf Aniñon sind es knapp 4 km, ein ziemlich direkter Wanderweg über die Hügel.

Hier wächst viel. Klar, ist ja auch Frühling. Wir wollen wissen, wer hier alles mitmischt im bunten Wegsaum. Also los mit „picture this“, die Pflanze in den Bildfokus nehmen, klick, schon läuft die Erkennungsapp, zack, das Ergebnis steht fest, es handelt sich um…und dann steht da nicht nur der Name, sondern auch die Gattung und der Familienname.

Diese Pflanzenwelt ist bunt und die jeweiligen Namen sind mindestens genauso schön und oft überraschend, deswegen sollen sie undbedingt genannt werden! Dann kommen noch die Geschichten dazu, die Verwendung, Heilkräfte und symbolischen Bedeutungen…also los. Machen wir uns auf den Weg.

Diese etwas unscheinbare, aber sofort stachelig daher kommende Pflanze war eine der ersten Begegnungen.

Feldmannstreu/ Eryngium

gehört zu den Edeldisteln. Hier sieht man jetzt noch keine Distel, aber der junge Albrecht Dürer hat ein „Selbstbildnis mit Eryngium“ gemalt, jetzt sehe ich zum ersten Mal die echte Pflanze. Vor 500 Jahren symbolisierte sie Stärke.

Flammen-Adonisröschen

Was für ein großer Name für so kleine Blumen, die man fast übersieht. Kann aber auch brennendes Teufelsauge oder feuerrotes Blutströpfchen heißen. Wer macht eigentlich die Namen?

Thymian

Ok, hier haben wir ganz gewöhnlichen Thymian, aber er musste in die Sammlung, weil er hier gerade so herrlich üppig blüht und duftet.

Französischer Tragant aus der Gattung der Bocksdorne.

Der kann was: Linderung von Übelkeit und Erbrechen infolge einer Chemotherapie. Senkung des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern. Vorbeugung von Erkältungen und anderen Infektionen der oberen Atemwege. Verminderung von Erschöpfungserscheinungen. Chapeau!

Silber-Mauermiere

Also besser als Wikipedia kann ich das auch nicht beschreiben:

Die Pflanze mit niederliegendem Wuchs ist samtig behaart bis kahl. Die kleinen, eiförmigen bis elliptischen, stachelspitzigen und ganzrandigen, einfachen, kahlen Laubblätter haben einen kurz bewimperten Rand. Es sind trockenhäutige, silbrig glänzende, große Nebenblätter vorhanden.

Wenn das keine Poesie ist…

Dann habe ich sie entdeckt! Einmalig!

Spiegel-Ragwurz

Diese gerade mal 20 cm hohe Pflanze ist aus der Familie der Orchideen. Und sie ist nicht nur eine schöne, sondern auch eine besondere Pflanze, sie gehört zu den nur bei Orchideen vorkommenden Sexualtäuschblumen. Wow, das es so etwas auch bei Pflanzen gibt!Sie bedient sich einer Mimikry und ahmt Aussehen und Duft von Wespenweibchen nach, um so Männchen zur Bestäubung anzulocken. Während des vermeintlichen Begattungsakts wird der Wespe ein Pollenpaket an den Kopf geklebt.

Wir kommen an einer Stelle vorbei, wo es richtig gut duftet. Und wer ist dafür verantwortlich? Ein wogendes weiß blühendes Areal.

Pfeilkresse

Jetzt sind die Samen noch nicht sichtbar, aber sie sollen wegen der enthaltenen Senföle scharf schmecken und wurden früher anstelle von Pfeffer als Würze verwendet. Und sie kann noch mehr: als Wurzelkriechpionier und Rohbodensiedler wird die Pfeilkresse gelegentlich zur Befestigung von neuangelegten Böschungsbereichen gesät.

An anderer Stelle sieht es dann eher halb vertrocknet, halb begrünt aus.

Strauch-Sode, Suadera Vera

Aus der Gattung der Salzmelden, Familien Fuchsschwanzgewächse – um mal den ganzen Namen zu nennen.

Dieser bis zu 2 m hohe immergrüne Strauch ist nicht nur trockenheitstolerant, sondern auch salztolerant. Eigentlich ist die Pflanze im Mittelmeerraum beheimatet, aber 2020 wurde auch auf der Hallig Hooge ein Exemplar gefunden. Noch weiß man nicht, wie es dahin gekommen ist:)

Dieses Kraut hat der Mann entdeckt und ist ganz beglückt. Auf dem Rückweg haben wir es mitgenommen für das Abendessen als Würze.

Ja, es handelt sich um Dill. Und wenn man nachliest, dann hilft dieses Kraut bei allerlei und das schon seit den alten Ägyptern. Das aus den Samen hergestellte Dillwasser wirkt verdauungsfördernd; die Früchte wurden gegen Mundgeruch gekaut, der Teeaufguss der Blätter vom Dillkraut hilft bei Magenkrämpfen und Verdauungsstörungen. Aber viel besser ist folgendes: Dill sollte laut Volksglauben der Braut zur Herrschaft in der Ehe verhelfen: „Ich habe Senf und Dille, Mann, wenn ich rede, schweigst du stille.“

So ist das bei uns nicht, während ich immer wieder anhalte und neue Pflanzen entdecke und fotografiere, geht Tho voraus und bleibt gelegentlich stehen, zeigt dann runter und fragt:“Hast du die schon?“

Gerne zeigt er dabei auf winzige Pflanzen, z.B. die…

Acker-Ringelblume

Das ist offensichtlich die kleine Schwester der Ringelblume, wie wir sie aus dem Garten kennen. In Deutschland ist sie fast ausgestorben, hier wächst sie in Gruppen entlang unseres Weges. Es heißt, sie sei für die Bauern eine Wetteranzeigepflanze: vor kommendem Regen schließt sie die Blüten.

Endlich mal jemand Bekanntes, denken wir. Der Mann hält sie für eine Margerite, ich für ne Kamille, dabei ist es ein Keulen-Bertram, sagt die App.

An Mauern finden sich immer wieder irgendwie rumliegende Pflanzen mit feinen violetten Blüten.

Gewöhnlicher Erdrauch/ Fumaria offizinales

Hexen und Zauberer lösten sich durch ihn in Rauch auf. Mit seiner Hilfe riefen sie die Geister der Verstorbenen. Die lateinische Bezeichnung des Erdrauchs weist auf eine derartige Verwendung hin. Fumaria bedeutet so viel wie Rauch. Außerdem wurde die Pflanze früher wohl als Räuchermittel benutzt. Heilkundige schätzten den gemeinen Erdrauch bereits in der Antike als Blutreinigungsmittel.

Je genauer ich schaue, desto mehr Pflanze entdecke ich. Viele davon sind Kräuter, zumindest tragen sie ein „kraut“ im Namen… dabei entstehen wunderschöne und auch kuriose Verbindungen. Während das Bergsteinkraut noch örtlich orientierend gemeint sein wird, kann man bei Salzkraut und Spindelkraut, bei falzigem Brand- oder Bingelkraut schon Fantasien entstehen lassen, spätestens Zimbel- und Heiligenkraut bieten tiefe Bedeutungshintergründe an.

Kelchsteinkraut
Wie ein Kelch sieht die Blume eigentlich nicht aus, aber wenn man die einzelne Blüte anschaut, wird der Name verständlich, weil jede wie ein kleiner Kelch geformt ist.

Dann noch ein seltenes Exemplar:

Haferwurzel/ Austernpflanze

Die die Wurzeln sollen ein verstecktes kulinarisches Juwel sein, weil sie im Geschmack Austern ähneln. Da ich nur dieses eine Exemplar bisher gesehen habe, verkneife ich mir, die Wurzel auszugraben, um zu prüfen, ob das stimmt. Außerdem lässt sich mit dem Saft natürliches Gummi herstellen, heißt es. Das nenne ich mal Bandbreite.

Echter Andorn aus der Gattung Mutterkraut

Das scheint eine Pflanze zu sein, die erst unter schwierigen Bedingungen so richtig kraftvoll wächst, heißt es in der App picture this.
Außerdem ist der Andorn bei Bronchitis, sowie bei Verdauungsbeschwerden bereits seit über 2000 Jahren dokumentiert. Ein alter Hase, gewissermaßen.

Mohn taucht hier an allen Wegrändern und auf den Feldern auf. Aber er sieht unterschiedlich aus…

Trübe Levkoje
Was für ein melancholischer Name für diese zurückhaltend rosaviolette Blüte.

Grauer Gamander

Auch Marienkraut genannt. Es wird bestenfalls 20 cm hoch, hier ist es gerade mal 5 cm groß. Es soll duften, macht es leider gerade noch nicht. Ich finde, es ist ein wunderschöner Bodendecker. War mal eine Heilpflanze, dann wurde herausgefunden, dass sie leberschädigend sein kann. Also muss Schönheit jetzt reichen.

Wolfsmilch/ Euphorbia

Davon gibt es hier einige, mal kleiner oder mal kräftiger. Auf jeden Fall tropft aus allen Varianten weiße Milch, wenn man sie abschneidet, insofern passt der Name gut. Der Milchsaft ist giftig, reizt die Haut und kann allergische Reaktionen hervorrufen. Man sagt Euphorbia im Volksmund deshalb auch nach, sie sei „gefährlich wie ein Wolf“.

Weitere Pflanzen mit Tiernamen am Wegesrand: die kretische Hundszunge, der gewöhnliche und der italienische Natternkopf, das Skorpionskraut, der Hasensalat und nicht zu vergessen, die Hundsrauke.

Apropos Rauken, davon gibt es hier viele: die Glanz-, Senf- oder Besenrauke. Die Blätter schmecken alle scharf und lassen sich als aromatische Bereicherung in den Salat schnippeln.

Eine besondere Verbindung gibt es offensichtlich zwischen der Wasabi-Rauke und dem Olivenbaum.

Nach etwa 80 Pflanzen (und die passen nicht alle in diesen Artikel) und einer doppelt so langen Wegdauer taucht die Kirche von Aniñon vor uns auf…

… und dann ist es auch nicht mehr weit bis zur Bar.

Auf dem Rückweg sehe ich die meisten neuen Pflanzenfreunde wieder, auch wenn ich ihre Namen noch nicht auswendig kann, kommen sie mir schon sehr bekannt vor. Und dann entdecke ich sie:

Rundblättrige Minze

Das ist ja ein schöner Fund, jetzt können wir also auch frischen Minztee machen.

Wir werden diesen Weg noch öfter gehen und dann wird uns sicher noch mehr blühen.