Kolkata hat eine Metro, die in diesem Jahr ihr vierzigjähriges Jubiläum feiert. Die ganze Stadt wartet auf die Eröffnung einer weiteren Linie, die auch endlich den riesigen Bahnhof Howrah auf der anderen Flussseite anbindet.
Bis zur Eröffnung der neuen Metrolinie staut sich der Verkehr jeden Tag auf der Howrah Bridge, die über den Fluss Hugli führt. Alternativ kann man sich von unzähligen Fähren über den großen Fluss setzen lassen.
Metro und Fähre zeigen das gleiche Phänomen. Kaum steht die Metro still und hat die Fähre angelegt, strömen die Menschen hinein. Das offensichtliche Problem: die Menschen kommen nicht raus. Es gilt keineswegs die Regel, erst aus- und dann einsteigen. Das stresst mein deutsches Ordnungsgefühl, ist aber auch lustig, weil es jedes Mal zu regelrechten Verstopfungen kommt.
Anders nun in den unzähligen uralten, lauten und qualmenden Bussen.
In jedem Bus gibt es einen Türpförtner und Zeremonienmeister in einer Person. Ein Pförtner allerdings ohne Tür, weil diese in Kalkutta entfallen. Der Mann steht während der Fahrt mit wehenden Haaren im offenen Eingang des Busses.
Er sorgt dafür, dass der Bus abstoppt, damit die Gäste selbstverständlich erst ab- und dann neue aufspringen können. Er brüllt die Linie des Busses und ihr Ziel in die Menschenmenge. Er blickt uns ganz kurz an: wollt ihr mit? Er bringt Ordnung in den Bus: Frauen bekommen ihre Plätze in den vorderen Reihen. Er weist Plätze zu und Männer zurecht, die älteren Fahrgästen nicht Platz machen, das Gepäck wird nach seinen Anweisungen richtig verstaut. Und er verkauft die Tickets, wobei er dies mehr nach Lust und Laune tut. Das System des Kassierens ist zumindest überraschend und unkalkulierbar. Dabei werden die Geldscheine kunstvoll um die Finger der linken Hand gefächert.
Und jeder dieser Busbegleiter interpretiert seine Rolle etwas anders, füllt sie anders aus. Mal leiser und zurückhaltender, mal streng oder extrovertiert. Auf jeden Fall bleibt sein Bus die Bühne, wir die Zuschauer und das für 15 Rupien, inkl. eines entspannten Aussteigens.