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„Gods own Land“ – Kerala oder wie ein Beitrag doch zustande kommt

Wir sitzen bei Ahalyas Bakery für einen Abschieds-Chai. „Worüber schreibst du denn gerade?“ fragt der Mann. Und ich gestehe ihm, dass mir für meinen Text noch der Fokus fehlt…“Ich würde so gerne über diesen Moment in der Kirche in Alappuzha schreiben, als mir überraschend die Tränen kamen… wie ich da stand und nicht so recht wusste, warum… Vielleicht, weil ich plötzlich meine Herkunft gespürt habe, das Vertraut-sein mit allen Bildern, die in dieser Kirche, in den Fenstermosaiken waren. Ich würde gerne schreiben, dass mich die biblischen Geschichten schon ewig nicht mehr so berührt haben, so einfach und direkt, wie sie hier erzählt werden, und dann noch das Abendmahl über dem Altar… wie ein heimatlicher Moment.“

Der Mann trinkt Chai. Wenig Miene. Ich versuche weiter, ihn zu überzeugen.

„Ich möchte auch darüber schreiben, dass wir wegen dir hier sind und Kerala wirklich ein besonderer Bundesstaat ist. Nicht nur, weil er einer der am dichtesten besiedelten ist, wegen der höchsten Alphabetisierungsrate in Indien oder wegen der vielen guten Schulen oder der wirtschaftlichen Entwicklung oder, oder… sondern auch, weil 95% der Bevölkerung dieselbe Sprache sprechen, Malayalam, was in anderen Bundesstaaten oft nicht der Fall ist. Das macht Verständigung schon einmal leichter, trotz der breiten Glaubenspalette der Bevölkerung. Nur die Hälfte ist hinduistisch, 30% sind Moslems und 20% Christen, sie leben in Kerala weitesgehend gut zusammen, und das schon seit Jahrhunderten.

Ich würde gerne beschreiben, wie entspannt die Menschen in diesem subtropischen Klima unterwegs sind. Bei der Hitze gehen alle gemächlich, wenig Hupen auf der Straße, Leute stehen zusammen und reden miteinander. Fremde wie wir werden von vielen freundlich gegrüßt. Abends sitzen Leute oft vor ihrem Haus oder die Fischer in Gruppen am Strand.

Die Gotteshäuser der verschiedenen Religionen stehen gelegentlich in enger Nachbarschaft und offensichtlich feiert man gerne mit, auch wenn es die Feste anderer Glaubensgemeinschaften sind.

Und mir scheint, dass auch die Formen der Riten sich gegenseitig beeinflussen. Selbstverständlich zieht man hier auch vor der Kirche die Schuhe aus, genau wie vor einem Hindu-Tempel. Die christlichen Heiligenstatuen werden wie die hinduistischen Götter mit Blumengirlanden bekränzt und die Freude an blinkenden Lichtern zeichnet alle drei Religionen gleichermaßen aus.

Es scheint ebenfalls eine akustische Toleranz zu geben, so halten die vielen Christen hier den morgendlichen hinduistischen Tempelgesang aus und die Hindus, die aus der Kirche tönenden Messegesänge.

Und dann sind da noch die vielen Läden, die Weihnachtssterne, Nikoläuse und Lichterketten verkaufen. Dabei fällt mir noch die Situation ein, als wir an dem Blumenladen gegenüber der Kirche vorbeigingen und mir auf einmal der Duft von Tannengrün in die Nase wehte – was wiederum einen kurzen kräftigen Heimwehschub auslöste.“

Der Mann schaut mich an und sagt: „Das Thema ist zu groß.“

Tja, nochmal anders probieren? Nein, heute nicht!

Wir müssen los zum Zug nach Kochi.

1 Kommentare

  1. Ein Hoch auf zu große Themen
    und darauf, dass jeder Ausdrucksversuch sie ein wenig schrumpfen lässt. Sind eben auch nur Schein-Riesen.

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