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Himmel, Herrschaft, Haveli…

Früh morgens am 13. November fahren wir mit dem Bus nach Amber, dem Herrschaftssitz der Mogul-Dynastie seit dem späten 16. Jahrhundert. Das beeindruckende Fort liegt auf den Hügeln in der Nähe der Stadt und ist mit seinen rötlichen Mauern und prachtvoll geschwungenen Baldachin-Dächern eines der touristischen Highlights in dieser Gegend.

Während wir noch im Dorf am Hang bei einem Lassi im Café sitzen, fahren jede Menge Jeeps mit Touristen an uns vorbei die Straße zum Fort hinauf. 

Vielleicht doch noch einen Chai trinken?

Und dann finde ich im Café ein Buch über Architektur und Stadtplanung von Jaipur und tauche ab…

Als 1792 der Mogulfürst Jai Singh II den Brahmanen Vidhyadar beauftragt die Stadt Jaipur anzulegen, wendet dieser für die geplante Stadt das aus der fast 5000 Jahre alten vedischen Tradition stammende Gestaltungsprinzip des „Vastu Shastra“ an. Durch diese Bauprinzipien sollte die kosmische Ordnung eine irdische Analogie finden. Es gibt bei „Vastu Shastra“ Hinweise, wie ein Haus, ein Tempel, eine Stadt, angeordnet und ausgerichtet werden sollen.

Komisch, wenn ich in den letzten Tagen vom Rooftop unseres Hotels auf die Stadt geschaut habe, war für mich vor allem ein einziges Chaos von Gebäuden zu sehen, und dem soll eine Ordnung zugrunde liegen?

In dem Buch steht, dass es sich in der Grundform des „Vastu“ um ein Quadrat handelt, das in gleichmäßige Quadrate unterteilt wird, davon gibt es unterschiedliche Varianten.

Graphik: B. Peter, 2005

Das Zentrum ist immer für Brahman, für das Göttliche vorgesehen, in der Regel steht dort ein Tempel. In Jaipur liegt im Zentrum des Mandalas der Königspalast und die angrenzenden Gärten nach Norden. In den umliegenden „Padas“ sind die unterschiedlichen Kasten (dazu in einem anderen Artikel mehr) angeordnet. Die einzelnen Straßen sind dann noch nach Berufen differenziert und in den Vierteln auch heute noch anzutreffen.

Die Gliederung Jaipurs nach den Prinzipien von Vastu Shastra. B. Peter, 2005

Auf der Straße vor dem Café gibt es mittlerweile einen Jeep-Stau mit Touristen, natürlich begleitet von kraftvollem Hupen, das aber nichts zur schnelleren Vorwärtsbewegung ausrichten kann. Den Weg zum Palast und die Besucherströme ersparen wir uns!

Wir nehmen den Weg nach nebenan in das kleine Museum über Stoffdruck und können die Tradition des „Vastu Shastra“ dort direkt anschauen.

Wie im Großen, so auch im Kleinen. Auch ein „Haveli“, ein Haus soll nach dieser kosmologisch ausgerichteten Ordnung aufgebaut sein: um das zentrale Quadrat liegen die Räume. Wichtig ist noch die Ausrichtung des Hauses, die Fassade zur Straße sollen nach Norden oder Osten zeigen, dort soll am besten auch der Eingang liegen, während Küchen und Hauswirtschaftsräume im Süden und Westen sind.

Außerdem werden die fünf Elemente Erde, Feuer, Himmel, Wasser und Luft beim Bau berücksichtigt und beteiligt.

Die dicken Wände aus gebrannten Lehmziegeln und die klug eingesetzte Anordnung von Fenstern sorgen für eine angenehme Luftzirkulation in den Räumen. Der zentrale Innenhof verfügt über ein Wasserspiel und ist nach oben zum Himmel geöffnet. Tatsächlich eine Architektur, die nicht nur auf den Kosmos, sondern auch genau auf die klimatischen Verhältnisse eingestimmt ist.

Als wir das Haweli verlassen, spazieren wir in aller Ruhe an dem Stau der Jeeps hinunter bis zur Bushaltestelle und fahren mit entspannten Blick auf das Fort von Amber zurück nach Jaipur.

Nachtrag: Zuhause wird klar, dass ich das Taschentuch mit der notierten Quellenangabe für das Buch unterwegs unwiederbringlich verschnupft habe, es hieß einfach „Jaipur“, restliche Angaben habe ich mir nicht gemerkt.

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