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Planänderung für den Sonnengott

Wir sind eingeladen zu einer Puja. Von Amal, der unser Hotel betreut. Er sagt, es sei ein speziell in diesem Teil von Indien gefeiertes Fest zu Ehren des Sonnengottes und der Natur, wir sollten unsere Abreise um einen Tag verschieben um das mit zu erleben.

Zur genaueren Erläuterung schickt er den Link zu Wikipedia. Dort finden wir, dass die „Chhath Puja“ über 4 Tage dauert, dass verschiedene Rituale von der Reinigung über Fasten bis zur Opferung von Früchten und einem gemeinsamen Mahl dazu gehören.

Heute, am 7.11. ist der 3. Tag, an dem der Untergang der Sonne rituell gefeiert wird. Also beschließen wir zu bleiben.

Um 15:00 Uhr ist Treffen im Hof vor dem Hotel. Der Bruder, Amals 3jährige Tochter, seine Schwägerin, ein Cousin, ein Vater und ich weiß nicht wer noch alles aus der Familie kommen vorbei, die Verteilung auf die verschiedenen Autos geht lautstark und langwierig voran und irgendwann fahren wir tatsächlich los in Richtung Fluss.

Der Niranja führt nur wenig Wasser und an beiden Flussufern sieht man Menschen und noch mehr Menschen zum Ufer, strömen, ein buntes, nicht enden wollendes Gewoge: leuchtende Saris, geschmückte Körbe, ganze Familien in bester Kleidung. Bodhgaya versammelt sich am Fluss.

Während die Frauen die Opfergaben am Flussufer aufbauen, können wir noch ein wenig mit Amal und seinem Cousin plaudern. Chhath wird von ihnen als das wichtigste Fest hier angesehen, da es im Wesentlichen um die Verehrung der Sonne und der Elemente in der Natur geht.

Die Familie von Amal stammt aus der Kaste der Brahmanen und es ist der Onkel, der das Ritual für die Frauen der Familie leitet, das sei schon immer so gewesen.

Im Wasser stehend, wenden sich die Frauen der Sonne zu und danken für das Licht. Die Männer scheinen lieber am Rand zu stehen…. Körbe mit Obst werden hoch gehalten und natürlich wird alles mit Handys fotografiert, gefilmt, in den sozialen Medien weiter verbreitet. Der Brahmane singt, später wird Wasser in einer Schale mit ans Ufer genommen. Kinder rennen rum, alle reden mit allen. Ein kleines Feuer wird entzündet, Kräuter werden verbrannt während der Onkel weitere Zeilen aus seinem Buch rezitiert…

… eine heitere, bunte Feierlichkeit. Und als es dunkel geworden ist, machen sich alle auf den Heimweg zurück ins Dorf.

Links Ranchi, rechts Amal

„If you want to see the best part of the festival, the greeting of the sun, you have to get up at 4:00 in the morning“

Okay, das wollen wir natürlich auch noch. Pünktlich um 4:00 Uhr sind wir die einzigen, die fertig vorbereitet vor dem Hotel stehen, wir haben das mit der Präzision der indischen Zeitangaben noch nicht richtig verstanden… irgendwie war wieder alles ein großes Tamascha, das passende Auto fehlte, die Opfergaben fast vergessen… schließlich wird uns klar: 5:00 Uhr hätte vollkommen gereicht. Schließlich werden wir jeder auf einem Motorrad mitgenommen, und so gelingt es deutlich schneller, sich durch die zunehmenden verstopften Straßen zum Fluss durchzuschlagen.

Im Dunkeln werden die Plätze am Ufer gebaut, aus Zuckerrohr kleine dreibeinige Zelte in den Boden gerammt, Obstberge ausgelegt und spezielle Kekse bereitgestellt, während Jugendliche mit den von Diwali aufgehobenen Böllern alle erschrecken.

Die Luft ist noch kühl, der Sand an den Füßen feucht. Es sind alle wieder da… ganz Bodhgaya!

Tho und ich werden mehr oder weniger vorsichtig bestaunt, manche trauen sich näher ran und wollen gerne Fotos mit uns machen, die dann vermutlich auch gleich mit einer passenden Geschichte in ihren jeweiligen sozialen Netzen landen.

An den Opferaltären werden Öllampen entzündet, die Frauen gehen wieder ins Wasser, mit sehr schön klingenden Gesängen. Der Bramahnen-Onkel sitzt bei den Opfergaben und rezitiert, dann kommen die Frauen dazu und die speziell für diesen Tag gebackenen Kekse werden verteilt. Natürlich bekommen wir auch welche und finden sie köstlich, knackig und sehr würzig.

War die Sonne zu Beginn noch eine blasse orangene Scheibe am Himmel, so strahlt sie um sieben schon in voller Kraft. Der ganze Strom von Menschen zieht zurück ins Dorf.

Wir packen unsere Sachen, verabschieden uns von Amals Familie und werden mit der E – Rikscha nach Gaya zum Bahnhof gebracht. Um 11:10 Uhr geht unser Zug nach Patna.