Alle Artikel mit dem Schlagwort: Reisen

COPE

Gegen dessen Ende waren alle Militärexperten und Militärs in den USA der gleichen Meinung: der sogenannte Vietnamkrieg sei nicht mehr zu gewinnen. Nur Richard Nixon und Henry Kissinger sahen dies anders und befahlen, entgegen eindeutiger Expertisen, noch weitere heftige Bombardierungen, auch und vor allem auf Kambodscha und Laos. Der Ausgang des Krieges, der hier in Laos der Amerikanische Krieg genannt wird, ist bekannt. 2016 besucht Barack Obama das COPE Visitor Center hier in Vientiane, der Hauptstadt von Laos. In seinem Redemanuskript finden sich die folgenden Worte und Fakten: „Over the course of roughly a decade, the United States dropped more bombs on Laos than Germany and Japan during World War II. Some 270 million cluster bomblets were dropped on this country… By some estimates, more bombs per capita were dropped on Laos than any other country in the world.“ Achtzig Millionen der Cluster-Bomben sind damals nicht explodiert und lagen am Ende des Krieges 1975 auf den Feldern, in den Wäldern, in Dörfern und in Flüssen. Deren Beseitigung dauert bis heute an, 50 Jahre nach dem …

Unsere Straße

Von allen Haupt- uns Großstädten, die wir besucht haben, ist Vientiane sicher die kleinste mit ihren gerade mal 350.000 Einwohner:innen. Sie ist keine Schönheit, eher eine bunte Mischung aus durcheinandergewürfelten Architekturstilen, dazwischen jede Menge Tempel, Restaurants, Morgen- und Nachtmärkte.Wir haben eine kleine Wohnung gebucht im französischen Viertel der Stadt. Um in unsere Straße zu kommen, geht man erst am Wat Mixai Tempel in der Rue Francois Ngin vorbei. Einen Namen hat unsere Straße nicht. Auf der Karte ist sie als Sackgasse eingezeichnet. In Wahrheit kommt man aber hinten auch wieder raus. Den Eingang markieren zwei Düfte: Müll und Blüten. Am Eingang links wohnen die Mönche des Tempels, manchmal hängen ihre orangenen Ruben über dem Balkon zum Trocknen. Offensichtlich schätzt man Sauberkeit in unserer Straße und lädt auch andere dazu ein. Man achte auf die Schilder. Das New Jumper Boutique Hotel ist das erste Gebäude in der Straße, es gibt sich offiziell. Es hat sogar einen Swimmingpool. An den sehr heißen Tagen laufen wir etwas neidisch daran vorbei. Gegenüber wird auf dem Bürgersteig gekocht. Jeden Tag …

Der Mekong

Diesen Artikel haben wir zusammen geschrieben, Bi auf der linken Seite, Tho auf der rechten. Wenn wir etwas tun wollten, dann das: einmal auf einem Boot den Mekong runter fahren. Das Problem: es gibt ab Luang Prabang in Richtung Ventiane kaum Schiffe, erst recht keine, die Reisende mitnehmen. Ausgenommen drei, vier Luxus-Kreuzfahrtschiffe. Drei Gründe sprachen gegen diese: wir sind noch nicht alt genug dafür (Wir haben die Damen und Herren auf einem solchen Schiff gesehen und wussten, dass wir noch mindestens zehn Jahre reifen müssen). Zweitens: es wirkte auf uns zu glatt und perfekt. Drittes: der Preis. Es schien also unmöglich…Und dann ist Tho zu voller Größe aufgelaufen. Während ich entspannt im Café sitze, spricht er verschiedene Schiffer an und findet schließlich jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der bereit wäre uns mit dem Schiff den Fluss abwärts zu fahren.Die Männer werden handelseinig und eine Woche später besteigen wir ein Schiff, das normalerweise Touristengruppen für Sunset Touren fährt. Ein Slow-Boot ganz für uns allein. Gott selbst hat den Mekong erschaffen. Mit einem gewaltigen Hieb …

Fomo und Jomo

Das kleine Städtchen Luang Prabang ist voller Touristen. Vor allem Chinesen, aber auch Franzosen und Deutsche, sehr viele junge Menschen, die in der Regel zwei bis drei Tage bleiben. Man kann das ja auch „googeln“. Frage: „Wie viele Tage sind genug für Luang Prabang?“ Antwort: „Man kann alles in zwei Tage packen, aber wenn Sie sich Zeit lassen, stressfrei bleiben und alles sehen möchten, was Luang Prabang zu bieten hat, würden wir einen Aufenthalt von drei Tagen empfehlen.“ Das oder ähnliches sagt das Netz und der Hauptstrom der Touristen scheint dem zu folgen. Wir sind hier irgendwie hängengeblieben. Wenn wir Morgen an Bord des Bootes gehen, das uns auf dem Mekong in den Süden Richtung Vientiane bringt, waren wir zwei Wochen hier und der Abschied wird uns schwerfallen. Lange haben wir mit dem Ort gefremdelt, haben zwei Tage mit Fieber & Co im Bett verbracht. Ein Hauch von „The fear off missing out“, kurz: Fomo. Wir waren eigentlich die gesamten ersten Tage auf dem Sprung. Dann sind wir vor dem Trubel hier abgetaucht. Die Zeit fing …

Weben, wabern oder wie weiter?

Wenn ich in den letzten Tagen und Wochen die Nachrichten aus der Welt verfolge, fühlt es sich an wie die zunehmende Erschütterung eines sicher geglaubten Bodens, auf dem ich mich bisher bewegt habe. Ein gewählter altbekannter alter Mann stampft erneut seine Macht aus, versetzt demokratische Systeme in Schockstarre, schürt Polarisierungen und Unsicherheiten im gesellschaftlichen Gewebe.Grenzverletzungen, Gräben, Löcher und Chaos. Und er ist weltweit in guter Gesellschaft anderer alter Männer. Was mir langsam klar wird: wenn ich aus dem Sabbatical zurückkehre, bin nicht ich es, die möglicherweise verändert ist, sondern vielmehr wird die Welt, in die ich komme, eine andere sein. Im Kleinen wie im Großen. Ich bereite mich darauf vor. Ich versuche es. Ich erlaube mir, unsere Welt als ein großes, komplexes Gewebe des Lebendigen wahrzunehmen.Als eine unendliche, immer wieder neue Verbindungen schaffende, schöpferische Bewegung. Auf allen Ebenen: von den neuronalen Netzen bis zum Bindegewebe. Ich erinnere mich an die kunstvollen Nester der Webervögel und an das soziale Gewebe von menschlichen Gemeinschaften. Hier in Laos bewundere ich die Kunst des Webens. Diese Stoffe, deren Farben …

Wir haben heute gekocht

Wir hätten es überall tun können. In Indien, in Vietnam und auch hier in Laos werden sie angeboten, die Cooking Classes. Wahrscheinlich lag es an dem wunderbar angelegten Gemüsegarten, den wir in einem Nachbarort von Luang Prabang gesehen haben. Die Besitzerin bat uns auf das Gelände, im Garten stand schon eine herrlich gedeckte Tafel für eine Gruppe, in einer großen Freiluftküche wartete eine gesammelte Gemüsevielfalt darauf, ein Essen zu werden. Eine Woche später standen wir selber bereit, um mit unserem Koch-Guide Sid zunächst einmal auf den Markt um die Ecke zu gehen und Zutaten einzukaufen. Dann noch Salat, Kräuter und Gemüse aus dem Garten holen. Kurzer Einschub für die Gärtnerinnen: Der gesamte Gemüsegarten kommt ohne chemischen Dünger aus. Schnecken werden hier mit einem Sud aus gekochten Chili, Pfefferkörnern und weiteren Kräutern, deren Namen ich nicht verstanden habe, von den Pflanzen vertrieben. Offensichtlich sehr erfolgreich. Unsere Cooking Class bestand aus Tho und mir, unserem Guide Sid, der auch übersetzte, die Köchin Miss Fe und ihre Assistenzköchin Miss Lo. Fünf verschiedene Gerichte haben wir gekocht: Eine Gemüsesuppe …

Kuang Si

Um es vorweg zu nehmen, wir haben es nicht bis zum Wasserfall von Kuang Si geschafft. Wir sind früh los, mit dem Moped raus aus Luang Prabang. Auf dem kleinem Markt am Stadtrand sind wenige Stände schon geöffnet. Ich esse einen Eintopf, der Magen von Bi ist noch nicht so weit. Sie besorgt kleine Bananen für die Fahrt. Es geht weiter. Vorbei an den noch schlafenden chinesischen Resorts vor den Toren der Stadt, den noch ruhenden Baustellen, auf denen weitere seelenlose Bauten entstehen. Von Chinesen für Chinesen. Eine nach der anderen fräst sich in die Berge. Hinter den Bergen wird es jetzt heller, es bleibt aber bedeckt. Die Schlaglöcher nehmen zu, der Asphalt wird brüchig bis er ganz verschwindet. Die Straßen werden zu Schotterstraßen, die uns in die Berge bringen, so steil, dass unser Moped ganz schön kämpfen muss. Kaum noch Autos, die den Sand aufwirbeln und uns so richtig einnebeln. Mit uns fahren die Laot:innen auf Mopeds in ihre Dörfer in den Wäldern, in den Bergen oder in die Stadt. Wir stoppen das erste …

Angestottert in Laos

Seit fünf Tagen wohnen wir in Luang Prabang. Unsere Unterkunft liegt am Berg, man kommt nur zu Fuß hin oder alleine auf dem Moped mit Vollgas. Die Wahrheit ist, dieses Mal gelingt das Ankommen nur in Minischritten. Warum das so ist, weiß keine:r so genau. Wir bewegen uns durch die Stadt, der Funke zündet nur in Zeitlupentempo. Ja, es gibt viele berühmte buddhistische Tempel. Wir kommen pünktlich am Mittag zur Schließung. Finden eine Bank und sitzen auf dem leeren Platz. Ja, es gibt hier einen Morgen-Markt mit Gemüse, sehr bunt, sehr viel, sehr unbekannt. Und es gibt einen Nachtmarkt mit Kunsthandwerk, sehr viel, sehr schön, sehr voll. Ja, es gibt auch in Laos köstliches Essen und wir konnten in den letzten Monaten so viele verschiedene Küchen kennen lernen, Geschmacksabenteuer erleben…… und dennoch ereilt uns hier ganz unvermittelt ein heftiges kulinarisches Heimweh am späten Nachmittag. In etwa so: Tho: Ich könnte jetzt auf eine Stulle mit Salami! Bi: Und ich ein Vollkornbrot mit Käse! Und Tomaten. Tho: Oder ein Baguette. Oder Nudeln. Eine richtig gut gemachte …

Vietnam – ein Annäherungsversuch

Diese Zeilen entstehen auf dem Weg nach Laos. Einen Monat waren wir in Vietnam, in den Orten Hanoi, Tràng An und Hoi An, in der Region Ninh Binh. Gerade genug Zeit, um sich diesem Land etwas anzunähern, etwas. Es bleibt ein Fragment, ein Bruchstück, unvollendet und der Eindruck, dieses Land zu früh wieder zu verlassen. „Die Herausforderungen, die das vietnamesische Volk im Lauf der Geschichte meistern musste, sind so groß wie die höchsten Berge.“, aus „Der Gesang der Berge“ von Phan Quế Mai, Nguyễn. Im Januar 2025 berichten die vietnamesischen Medien, dass Hanoi die am stärksten luftverschmutzte Stadt der Welt sei. Die kommunistische Regierung werde nun gegensteuern und den Anteil der Elektrofahrzeuge drastisch erhöhen. Dem Beispiel Chinas folgen, heißt es. Der vietnamesische Autobauer Vinfast möchte, dass der neue Elektrokleinwagen VF 3 das „Nationalfahrzeug“ der Vietnamesen werde. Der VF 3 ist robust, 3,20 Meter lang, der Innenraum ist minimalistisch. Fünf Leute passen rein. Erst die Chinesen, dann die Mongolen, dann die Franzosen, dann die Japaner und schließlich die Amerikaner. Und viel Mist, den die Vietnamesen einander …

3 x glauben: Ahnen, Bildung, Wohlstand

Wie nah können wir einem Land, einer Kultur, den Menschen auf unserer Reise kommen? Wie viel können verstehen, wenn wir gerade mal für einen Monat eintauchen? Mich beschäftigt immer wieder die Frage, woran Menschen hier glauben, welche Kräfte diese Kultur treiben und welche Werte? Und mir scheint, dass drei zunächst unterschiedlich anmutende Aspekte in Vietnam zu einer ganz eigenen kulturellen Mischung geführt haben. Da ist einmal die in der familiären Tradition tief verwurzelte Ahnen-Verehrung, dann – seit über einem Jahrtausend als Basis – der Konfuzianismus mit dem Glauben an die Kraft von Bildung und schließlich – aktuell sehr stark ausgeprägt – der Glaube an einen weiter wachsenden Wohlstand.  Über die Ahnenaltäre in den Wohnungen und Häusern habe ich schon in dem Beitrag über das Neujahrsfest geschrieben.  Zur Ahnenverehrung gehören auch die Friedhöfe und die schön gestalteten Gräber, die zum Teil mitten in den Reisfeldern liegen, immer nach Osten ausgerichtet, so dass die Verstorbenen der aufgehenden Sonne entgegen blicken können. Zum Neujahrsfest werden die Gräber mit Blumen geschmückt und Räucherkerzen angezündet. Während die Ahnenverehrung eine Verbindung …