Alle Artikel mit dem Schlagwort: Reisen

Planänderung für den Sonnengott

Wir sind eingeladen zu einer Puja. Von Amal, der unser Hotel betreut. Er sagt, es sei ein speziell in diesem Teil von Indien gefeiertes Fest zu Ehren des Sonnengottes und der Natur, wir sollten unsere Abreise um einen Tag verschieben um das mit zu erleben. Zur genaueren Erläuterung schickt er den Link zu Wikipedia. Dort finden wir, dass die „Chhath Puja“ über 4 Tage dauert, dass verschiedene Rituale von der Reinigung über Fasten bis zur Opferung von Früchten und einem gemeinsamen Mahl dazu gehören. Heute, am 7.11. ist der 3. Tag, an dem der Untergang der Sonne rituell gefeiert wird. Also beschließen wir zu bleiben. Um 15:00 Uhr ist Treffen im Hof vor dem Hotel. Der Bruder, Amals 3jährige Tochter, seine Schwägerin, ein Cousin, ein Vater und ich weiß nicht wer noch alles aus der Familie kommen vorbei, die Verteilung auf die verschiedenen Autos geht lautstark und langwierig voran und irgendwann fahren wir tatsächlich los in Richtung Fluss. Der Niranja führt nur wenig Wasser und an beiden Flussufern sieht man Menschen und noch mehr Menschen …

Der Weg

Der Weg ins Zentrum von Bodhgaya dauert jeden Morgen 45 Minuten, zu Fuss. Er führt durch eine ländliche Gegend in die kleine Stadt hinein. Dieser tägliche Weg kurz nach Sonnenaufgang ist nicht schön, also nicht hübsch, nicht ästhetisch, nicht behaglich, nicht romantisch, nicht malerisch und nicht idyllisch. Er ist voll Müll, unfassbar viel Müll. Es ist schon frühmorgens laut, klar durch das Hupen, aber auch durch laute Musik in den kleinen Dörfern, aus Lautsprechern, die sich über das gesamte Land verquirlt. Warum nur? (Nachtrag: einen Tag später erfahren wir den Grund für die morgendliche Musik. Es ist Chhath Puja, ein viertägiges Fest der Hindus zu Ehren des Sonnengottes Surya, der der Erde Licht, Energie und Leben brachte. Dieses Fest wird vor allem im Bundesstaat Bihar gefeiert. Unser Vermieter hat uns auf dieses Fest am Ufer des Falgu River eingeladen. Also Planänderung. Wir bleiben noch eine Nacht hier). Der Weg ist gegensätzlich: Auf der einen Straßenseite polieren junge Hotelangestellte dicke, bereits strahlende, weiße SUVs, auf der anderen formen die Frauen Kuhfladen zum Trocknen. Wie fast wohltuend …

„Welcome to the land of enlightenment“

Das steht auf vielen großen, kitschig grellen Plakaten auf dem Weg nach Bodhgaya. Überraschenderweise wird damit Werbung gemacht für ein internationales Frauen-Hockey-Turnier. Wir landen in Bodhgaya mehr durch Zufall, weil das Dorf direkt neben Gaya liegt. Und das wiederum war der Ort, zu dem es noch Zugtickets gab. Dann stellt sich raus: es ist einer der wichtigsten Pilgerorte für die Buddhisten auf der ganzen Welt. Oh! Also hochgradig bedeutungsvoll! Also deswegen „enlightening“? Wie bitte darüber schreiben? Klappt nicht auf einmal, deswegen eine Annäherung in drei Wellen: 1. Schnuppern Am ersten Nachmittag werden wir von einem Elektro-Tuktuk-Fahrer von Tempel zu Tempel gebracht. Auch wenn die Gebäudeformen unterschiedlich aussehen, der Ablauf ist immer derselbe: vor dem Eingang Schuhe ausziehen, dann führt ein gepflasterter Weg zum eigentlichen Tempelbau. In der Mitte des Raums sitzt eine Buddha-Statue in Gold und bunten Farben, mit Ornamenten verziert und Opfergaben drumzu. Wir stehen still und staunen und wissen noch nicht so recht… Wo sind Anknüpfungspunkte? Wie lässt sich überhaupt eine Annäherung bewerkstelligen? Der Reiseführer gibt äußere Daten her… aber was ist dieses …

Vande Bharat Express

Morgens um fünf standen wir an der Straße, um den ersten Bus zu erwischen. Dann kommt aus dem Dunkeln ein Auto. Ein Mann steigt aus: „Howrah Railwaystation? 200 Rupien!“ Wir steigen zu und rollen dann zu fünft schweigend in dem kleinen Wagen quer durch die noch dunkle Stadt. Unser Abschied von Kolkata. Welchen Zug wir denn hätten, fragt mich der Fahrer. Ich erzähle etwas holprig von Gaya, 6:50 Uhr Abfahrt und so. Keine Reaktion. Der Fahrer schmeißt seine Handy an und sucht akribisch. Wir vier anderen achten besorgt auf die Straße. Dann zeigt er mir eine Übersicht der abfahrenden Fernzüge nach hinten in den Fond, dabei einem Tuk-Tuk etwas spät ausweichend. All die Züge haben einen Namen. Und ich sehe unseren Zug. Ich so: „Vande Bharat Express“. Und er so: „0h, Vande Bharat! Ok. It is the Old Howrah“. Jetzt schien alles geklärt. Dass Züge einen Namen haben und diese auch noch präsent sind, finde ich ziemlich cool, klingt ja auch fast wie „Orient-Express“ unser „Vande Bharat Express“. Zwei Tage habe ich gebraucht, um unsere …

Um die Ecke: Taj Biryani

Unser Appartement in Kolkata liegt im 5. Stock. Der kleine Fahrstuhl hat zwei Gittertüren, die zur Seite geschoben werden müssen. Dann ruckeln wir mit ihm nach unten, direkt in die dunkle Einfahrt des Hauses. Tritt man aus dem Haus ins Tageslicht, auf die Straße, macht es Bähm! Die etwa sechsspurige Lenin Saranin Road trifft auf zwei ebenso breite Straßen. Dieses Inferno 50 Meter vor unser Haustür ist Moulali Crossing und direkt an ihr befindet sich das Restaurant Taj Biryani, unser Imbiss um die Ecke. Offen zu allen Straßenseiten, hässlich, dreckig und es gibt nur wenig von dem, was auf der Karte steht. Unsere ersten Essen dort waren die üblichen Biryani: Vor dem Garen angebratener Reis mit Kartoffeln und Fleisch vom Huhn oder Lamm. Eigentlich muss man ein Biryani mit den Händen kräftig mischen, fast kneten. Dann entsteht mehr Sauce. Wir hantieren aber immer noch umständlich mit Plastiklöffeln. Bi mag die Rolls dort, hat etwas vom Sielwalleck in Bremen. Erste Gesprächsversuche, eigentlich mehr Zeichensprache. Der Chef mag uns und auch unser Trinkgeld, wir ihn und sein …

Um die Ecke: der Markt

4,5 Millionen Menschen wollen täglich mit Nahrung versorgt werden in Kolkata. Diese Größenordnung finde ich schwer vorstellbar. Wie soll das gehen? Es ist ja keinesfalls so, dass es in der Stadt oder an den Ausfallstraßen große oder überhaupt Supermärkte gäbe wie bei uns, sondern hier wird fast alles Lebensnotwendige auf den Märkten eingekauft, die es in jedem Viertel gibt. Nur noch mal als Vorstellungshilfe zur Größe Kolkatas: es gibt 144 durchnummerierte Wards (Stadtteile) mit 18.000 – 100.000 Bewohner:innen. (Den Wiener:innen unter uns dürfte das vertraut sein, an der Nummer des Stadtteils weiß man sofort, woher jemand kommt.) Natürlich mögen wir den Markt bei uns um die Ecke im Ward 51 besonders gern. Ab circa 6:00 Uhr, wenn es hell hier wird, werden die Plätze aufgebaut. Stände gibt es nie, die Ware wird auf dem Boden ausgebreitet, oft liebevoll sortiert und gestapelt. Ein Fest fürs Auge, so viele leuchtende Farben, so viel frisches Grün! Und natürlich ganz schön viele Fragezeichen? Was sind das für Gemüsesorten, die da neben den Auberginen, Gurken und Blumenkohlen liegen? Da muss …

Chai

Masala Chai „bezeichnet in ganz Südasien ein Getränk aus Schwarztee, Milch, Zucker und einer Gewürzmischung.“ Soweit die Fakten. Chai ist aber deutlich mehr. In Kolkata geht derzeit so gegen sechs die Sonne auf. Die Stadt erwacht nur langsam und frühestens gegen neun ist sie auf der üblichen Betriebstemperatur. Diese drei Stunden am Morgen sind magisch: die Menschen kommen aus ihren Häusern, aus ihren Verschlägen, aus ihren Verkaufsständen, in denen sie die Nacht verbracht haben. Es ist noch relativ kühl, etwas unter 30 Grad. An den Wasserstationen sammeln sich die Männer zu einer ausgiebigen Waschung. Man kennt sich, grüßt sich. Plausch hier, Plausch da. Es scheint, das tägliche Getöse des Verkehrs verdeckt eine fast dörfliche Kultur, mitten im Zentrum der Stadt. Wobei Kolkata eigentlich ein einziges Zentrum ist. Einige Stände bereiten ihren Chai über Kohleöfen zu. Und so vermischt sich auf der Straße am frühen Morgen der leichte Kohlegeruch mit den Aromen von Zimt, Ingwer, Sternanis, Kardamon, schwarzer Pfeffer, Nelke und Macis. Nun ist Chai natürlich nicht gleich Chai. 1. Wir trinken ihn nur aus den …

Einsteigen – Aussteigen

Kolkata hat eine Metro, die in diesem Jahr ihr vierzigjähriges Jubiläum feiert. Die ganze Stadt wartet auf die Eröffnung einer weiteren Linie, die auch endlich den riesigen Bahnhof Howrah auf der anderen Flussseite anbindet. Bis zur Eröffnung der neuen Metrolinie staut sich der Verkehr jeden Tag auf der Howrah Bridge, die über den Fluss Hugli führt. Alternativ kann man sich von unzähligen Fähren über den großen Fluss setzen lassen. Metro und Fähre zeigen das gleiche Phänomen. Kaum steht die Metro still und hat die Fähre angelegt, strömen die Menschen hinein. Das offensichtliche Problem: die Menschen kommen nicht raus. Es gilt keineswegs die Regel, erst aus- und dann einsteigen. Das stresst mein deutsches Ordnungsgefühl, ist aber auch lustig, weil es jedes Mal zu regelrechten Verstopfungen kommt. Anders nun in den unzähligen uralten, lauten und qualmenden Bussen. In jedem Bus gibt es einen Türpförtner und Zeremonienmeister in einer Person. Ein Pförtner allerdings ohne Tür, weil diese in Kalkutta entfallen. Der Mann steht während der Fahrt mit wehenden Haaren im offenen Eingang des Busses. Er sorgt dafür, dass …

Diwali

Seit Tagen wird das Lichterfest vorbereitet. Überall! Die Bambusgerüste für die „Pandals“ bekommen Verkleidungen aus Stoff oder dünnen Brettern. Verzierungen, Blumen und vor allen Dingen die Beleuchtung kommen dazu. Und tatsächlich hat jede Straße, jedes Viertel seine eigenen Pandals gebaut: Zu Diwali kommen die Familien zusammen und schmücken ihre Häuser mit vielen Lichtern, die vor die Tür oder ins Fenster gestellt werden. Dabei gibt es heute alle Varianten: von der traditionellen Tonschale als Öllämpchen bis hin zur schnell getakteten grellbunten Lichterkette ist alles zu finden. Gefeiert wird der Sieg des Guten über das Böse in der Welt – auch der Sieg des Lichts über die Dunkelheit… Ein Fest in ganz Indien, aber je nach Region werden dabei unterschiedliche Göttinnen und Götter aus dem reichen hinduistischen Himmel geehrt. In Kolkata ist es die schwarze Kali. Sie gilt als die Göttin des Todes, der Zerstörung und der Erneuerung. Der Mythos erzählt, dass sie als Verkörperung des Zorns aus der Stirn der Göttin Durga entsprungen sei und dann das Weltall mit ihrem schrecklichen Brüllen erfüllt hat. In jedem …

green salad…

Über das Zweitwichtigste haben wir bis jetzt noch nicht geschrieben, aber jetzt! Natürlich gab es „Spannungen“ zwischen uns, wer darüber schreiben darf… die Lösung war dann nach ein paar mißtönigen Bemerkungen einfach: wir schreiben beide. Wichtige Frage: Wo gibt es gutes Essen? Wo sind die Restaurants? Anfangs waren sie gar nicht so leicht zu entdecken, unscheinbare Türen oder Treppen in den ersten Stock… dafür aber ganz unmittelbar sichtbar: die unzähligen Garküchen am Straßenrand. Und dann bestellen: Die wunderschöne Alphasyllabar-Schrift können wir nicht lesen und in den Garküchen gibt es meist überhaupt keine Karte. Das indische Englisch klingt für uns oft wie eine unverständliche Fremdsprache und anfangs wussten wir auch die Namen der Gerichte nicht. Also bleibt die Verständigung durch einen Fingerzeig auf den Teller des Gastes am Nebentisch – verbunden mit einem Nicken: das möchte ich auch – eine gute Variante. Auf diese Weise kamen wir zu unserem ersten indischen Frühstück: Parathas = gebackene Brotfladen mit ein bisschen Kartoffelcurry. Herrlich! In jedem noch so kleinen Restaurant gibt es in einer Ecke ein Waschbecken, bevor man …