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Architektur 5: Hanoi und das Röhrenhaus

Schmal und grazil reihen sich die Häuser in Hanois älteren Stadtteilen aneinander. Jedes Röhrenhaus ist mit der unterschiedlich gestalteten Fassade ein Individuum und zugleich Teil des urbanen Bautypus.

Es heißt, dass im 19. Jahrhundert die französischen Kolonialherren die Steuern auf die Fassadenbreite eines Hauses angerechnet haben. Das führte dazu, dass die Häuser schmale Vorderseiten von 2,5 bis 4 m bekamen, dafür aber bis zu 50 m in die Tiefe des Blocks wuchsen.

An dem hohen Haus kann man gut das Verhältnis von Breite zu Tiefe erkennen.

Im Erdgeschoss befinden sich zur Straße hin Werkstätten und Geschäfte, die teilweise fließend übergehen in Wohn-, Schlaf- und Wirtschaftsräume. Je nach Haustiefe folgen kleine Innenhöfe, die für weiteren Lichteinfall und Luftzirkulation sorgen. Nach hinten raus liegen Küche und Bad. Das Dachgeschoss hat oft eine überdachte Terasse.

Häufig wurden und werden die Röhrenhäuser etagenweise von je einer Familie bewohnt oder das ganze Haus als Mehrgenerationenhaus, wobei die Familie dann oft im Erdgeschoss einen Laden oder eine Werkstatt betreibt. Das gilt insbesondere für die Altstadt von Hanoi, wo zwischenzeitlich die Bewohner:innendichte so hoch war, dass für jede Person nur 1.5 qm blieben. Wurde weiterer Platz gebraucht, baute man ein Stockwerk obendrauf.

Mit der Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1954 änderte sich sie die Situation in der Altstadt Hanois. Repressalien und Enteignungen führten zu einem enormen Bevölkerungsrückgang und einer Abnahme der Handelsaktivitäten

Erst Ende der 80er Jahre begann eine intensive Stadtentwicklungsphase durch den Reformkurs der kommunistischen Regierung von der sozialistischen Planwirtschaft hin zu einer freien Marktwirtschaft. Um den steigenden Bedarf an Wohnraum und Gewerbeimmobilien zu decken, wurden sowohl neue Gebäude errichtet als auch bestehende saniert. Innerhalb von wenigen Jahren wurden etwa 50% der Gebäude in der Altstadt abgerissen und neu gebaut – allerdings ohne einen Stadtentwicklungsplan. Zunehmend wurden z.B. sogenannte „Raketenhäuser“ gebaut, die durch ihre Höhe aus der Reihe der umgebenden Gebäude herausragten.

Insgesamt ist das Röhrenhaus nach wie vor beliebt und hat sich als Typus für eine Stadt wie Hanoi bewährt. So gibt es neben den Häusern mit historistischen Fassaden auch moderne Varianten, die von zeitgenössischen Architekten entworfen wurden. Durch die einheitlich schmale Form entsteht bei aller stilistischen Vielfalt dennoch ein charakteristisches Stadtbild.

Das Haus, in dem wir in Hanoi wohnen, ist auch ein typisches Röhrenhaus.

Das Erdgeschoss hat immer ein großes Tor. Bei uns wird es als Aufenthaltsraum genutzt, die Rampe am Eingang ist wichtig, weil hier nachts üblicherweise die Motorräder geparkt werden. Zumindest machen das alle unsere Nachbarn so. Es scheint, als wären die Mopeds Teil der Familie, die natürlich auch ein sicheres Zuhause brauchen. Da meist mehrere Familienmitglieder eines besitzen, kann es durchaus eng werden im Erdgeschoss.

Im ersten und zweiten Stock liegen nach vorne die Wohnräume, jeweils mit einem kleinen Balkon, auf halbem Stockwerk nach hinten sind Küche und Bad. Das Treppenhaus hat einen Lichtschacht.

Eine großzügige und sehr schöne Wohnung für uns.

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