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Imperial

Wir sind umgezogen, drei Straßen weiter in die Ruelle 4, weiterhin im zentralen Stadtteil Haysok von Vientiane.

An der Ecke unserer Straße gibt es eine Einrichtung der EU.

„Let´s explore how the 27 countries of European Union say hello!“ klärt ein Plakat an der Außenwand auf. Alles nicht einladend und auf den ersten Blick irgendwie kurios, aus der Zeit gefallen.

50 Jahre nach Kriegsende ist Laos mit seinen gut 7 Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen eines der ärmsten Länder Asiens. Seit der Pandemie und dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Laos noch einmal ärmer geworden. Das Land befindet sich in einer schweren Krise und steht kurz vor dem Staatsbankrott. Die Preise haben sich durch eine starke Inflation in den letzten Jahren verdoppelt.

Deutschland hat Laos in den Jahren 2021-2025 mit rund 131 Mio. Euro unterstützt, im Rahmen der Strategie „Green Initiative“ der EU. Mit den Mitteln der EU über insgesamt knapp 600 Mio. Euro wird vor allem die Weiterentwicklung einer grünen und inklusiven Wirtschaft in Laos unterstützt. Vor ein paar Tagen war ein Vertreter der EU in Vientiane und hat für die Jahre bis 2027 weitere 45 Millionen zugesagt.

Gleichzeitig ist Laos zunehmend in den Fängen von China, das das arme Nachbarland mit Milliardeninvestitionen an sich bindet und damit immer mehr Einfluss gewinnt.

Seit 2021 ist die Laos–China Railway in Betrieb, die zu 70% von der Volksrepublik finanziert wurde und auf chinesischer Technologie basiert. Die Eisenbahnlinie verbindet Kunming in China mit Vientiane – und soll künftig weiter durch Thailand und Malaysia bis Singapur führen, als Teil der Neuen Seidenstraße.

Vor der Stadt Luang Prabang liegt der neue und hochmoderne Bahnhof an einer völlig maroden Hauptstraße.

„Luang Prabang Railway Station“ prangt in roten Lettern auf Englisch und Laotisch über dem Eingang. Am größten aber leuchten die chinesischen Schriftzeichen.

Über die neue Bahnlinie strömen die Chines:innen nach Laos, unübersehbar. Überall chinesische Schriftzeichen: auf Speisekarten, Produkten im Laden… Der Tourismus in Laos richtet sich auf seine größte Zielgruppe ein. Und manchmal hat man den Eindruck, neue „Herren“ sind im Land und treten auch so auf. Das wirkt mitunter aggressiv, laut und arrogant.

Seit über zehn Jahren ist China der größte Gläubiger von Laos, das inzwischen über die Hälfte seiner Schulden bei dem nördlichen Nachbarn hat. Mit dem Geld aus China werden Großprojekte wie der Schnellzug oder Staudämme gebaut. Ohne einen Schuldenerlass jedoch, wird Laos die chinesischen Kredite nicht mehr bedienen können.

Ich habe nochmal nachgeschaut: Imperialismus meint das Bestreben einer Großmacht, ihren politischen, militärischen und wirtschaftlichen Macht- und Einflussbereich immer weiter auszudehnen.

Wir bekommen hier in Laos den Eindruck, dass die Staatssouveränität des Landes gefährdet ist, kulturell und wirtschaftlich. Das sehen auch zunehmend die Laot:innen so, laut einer Befragung aus 2024. Wir merken die Spannungen zu den Chines:innen im Alltag.

„Die Vietnamesen pflanzen den Reis, die Khmer schauen ihm beim Wachsen zu und die Laoten lauschen, wie er wächst.“ Und die Chinesen übernehmen das Land, die Produktion und den Handel des Reis, so könnte man das laotische Sprichwort ergänzen.

In den letzten Jahren hat ein riesiger Strom junger Menschen Laos verlassen, um u.a. in der chinesischen Sonderwirtschaftszone in Boten Geld zu verdienen. In Boten (Laos) zieht China eine Stadt hoch, die bis zu 300.000! Einwohner:innen haben soll. Viele Laotinnen arbeiten dort als Prostituierte für Chinesen.

Auch hier in Vientiane entstehen an jeder Ecke chinesische Bauprojekte, meistens merkwürdig überdimensionierte, wie ein sechsstöckiges Einkaufszentrum, das zur Hälfte leer steht. Und unzählige Hotels.

Am EU-Büro endet unsere Straße, die Ruelle 4. Dort kommt man kaum noch über die Hauptstraße der kleinen Hauptstadt. Ein weißer, panzerähnlicher SUV folgt dem nächsten. Die wenigen Bürgersteige und die Tempelanlagen dienen als Parkplätze. Kaum Busse, in der Regel ist die Innenstadt verstopft.

Ein paar Häuser weiter steht der überdimensionierte neue Präsidentenpalast, den dieser nur für wenige Veranstaltungen nutzt. Für viele hier ein Symbol staatlicher Korruption.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Strategie der EU in Laos aufgeht.