Alle Artikel mit dem Schlagwort: Reisen

Dunkel

An jeder größeren Straße reihen sich in unserem Viertel die Verkaufsstände aneinander. An der Häuserseite sind kleine Geschäfte, an der Strassenseite liegen die Waren oftmals auf dem Boden oder in Holzständen. Zwischen den Ständen links und rechts bleibt ein schmaler Gang. Und das auf beiden Straßenseiten. Kilometerlang mit nur kleinen Unterbrechungen. In regelmäßigen Abständen führen kleine Gassen in ein Labyrinth von weiteren Ständen, in die Hinterhöfe. Es hat eine Weile gebraucht, bis wir uns in diese getraut haben. Aber dann: Der Zugang ist noch hell von der Straße. Dann wird es dunkler, stickig, es riecht nach.., riecht nach…Blut. Ein kleiner Schlachthof im Hinterhof. Hühner in Käfigen, in einem furchtbaren Zustand. Es wird auf Bestellung geschlachtet. Keine Kühlung, kein Ventilator. Getrocknetes Blut. Im Dunkeln springen die Ratten. Junge Männer in kurzen Hosen und Latschen machen gerade eine Pause. Und ich habe den Eindruck, dass Menschen, die mit Fleisch hantieren, hier einen besonderen Stolz ausstrahlen. Als sei auch nur der Umgang mit Fleisch grundsätzlich ein Anteil am Wohlstand. Und: In den wenigen Restaurants sind Fleischgerichte in der …

Tamasha von oben

Jeder fünfte Mensch lebt in Indien. Die Wirtschaft wächst jährlich um gut sechs Prozent. Der indische Energiebedarf wird sich zwischen 2020 und 2035 verdoppeln. 600 Millionen Menschen in Indien sind jünger als 25 Jahre. 60 Millionen Jugendliche suchen einen Job und jeden Monat drängt eine weitere Million auf den Arbeitsmarkt. Es gibt hier 100 Sprachfamilien…. Wir sind in Kolkata. Wir leben in einem winzigen Häuschen auf dem Dach, sechster Stock, große Terrasse. Blick über die Stadt, über den Stadtteil Belgachia im ärmeren Norden. Es ist 8 Uhr am Morgen, die Sonne ist schon seit über zwei Stunden da. 14 Millionen Menschen leben in dieser Metropolregion. Und nun beginnt ihr Tamasha-Konzert und steigert sich bis zum Mittag, von Minute zu Minute. Tamasha meint umgangssprachlich: Trubel, lärmendes Treiben voller Aufregung, wirres Durcheinander. Ich höre die Energie dieses Landes.

Losgehen in Kolkata

…in der Frühe laufen wir los. Von Norden, nach Süden durch den alten Teil der Stadt. Es ist alles da und von allem viel: besonders laut durch ihr Hupkonzert sind die Fahrräder, Tuktuks, Motorräder und Busse, umgeben von Häusern aus der Kolonialzeit mit morbidem Charme, dazwischen Neubauten und Bretterverschläge, kleine Läden und Handwerksbetriebe. Männer und Frauen in Bewegung, aber gemächlich – ein anderes Tempo wäre in dieser Hitze nicht angemessen. Die Stadt und ihre Menschen lesen lernen… langsam… wir sind ja erst am Anfang… …und im Gehen immer wieder überrascht, dass ganze Straßenzüge unterschiedlichen Fachgeschäften gewidmet sind: da gibt es eine Straße, in der Töpfe, Pfannen, Küchenartikel oder Plastikschüsseln und Eimer in jedem kleinen Laden verkauft werden, in der nächsten Gasse sind es frisch gezimmerte Holzleitern, dann folgen alle Arten von geflochtenen Körben, darauf Säcke, Taschen und Netze. Es gibt sogar eine Reihe von Tresoraufarbeitungshandwerksbetrieben! (das Wort dafür wohl nur in der deutschen Sprache). Eine Ecke weiter reihen sich Eisenhandlungen aneinander, Rund- und Vierkant-Stahlstangen liegen in eigens dafür angefertigten Regalen. Dazwischen und an den Straßenecken …